Pressemitteilung zum Weltflüchtlingstag der UNO am 20. Juni

Pressemitteilung zum Weltflüchtlingstag der UNO am 20. Juni

Für eine Flüchtlingspolitik, die sich an Humanität und Menschenrechten orientiert

Der Tübinger Verein move on - menschen.rechte Tübingen e.V. fordert anlässlich des Weltflüchtlingstags der UNO am 20. Juni: Flüchtlingspolitik muss sich an Humanität und Menschenrechten orientieren und die Fluchtursachen bekämpfen statt bloße Abwehrpolitik zu betreiben! move on wendet sich gegen die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl und stellt in Frage, dass Abschiebungen Probleme lösen könnten. Für die kommunale Flüchtlingspolitik fordert der Verein neue Initiativen für gute Unterbringung und für die Arbeitsintegration von Flüchtlingen, auch durch ehrenamtliches Engagement. Dies sei wichtiger als diskriminierende Bezahlkarten einzuführen oder die Integration durch „Dublin-Verfahren“ zu verunmöglichen. Der Verein ist eine von 70 „Meldestellen“ im Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan. Der Verein möchte, dass die Menschen, die über dieses Programm aufgenommen werden, in Stadt und Landkreis Tübingen einen "sicheren Hafen" finden können.

Fluchtursachen bekämpfen und dadurch Flüchtlingszahlen reduzieren Aus dem zum Weltflüchtlingstag neu erschienenen Weltflüchtlingsbericht der UNO "Global Trends Report 2023"2 ergibt sich, dass sich die Zahl der Flüchtlinge weltweit in den letzten 10 Jahren verdoppelt hat und jetzt bei fast 120 Millionen Menschen liegt. Als Flüchtlinge gelten Menschen, die gewaltsam aus ihren Heimatländern vertrieben wurden aufgrund von Verfolgung, Kriegen, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen oder politischen und gesellschaftlichen Krisen. Als aktuelle Gründe für den Anstieg werden vor allem die Folgen der fortwährenden Kriege im Sudan, Syrien, Afghanistan und der Ukraine und von Krisensituationen wie in Venezuela genannt. Nach wie vor sind über 60% aller Flüchtlinge Binnenvertriebene im eigenen Land. 69% derjenigen Flüchtlinge, die ihr Land verlassen haben, befinden sich in relativ armen Nachbarländern und weiterhin nur ein geringer Prozentsatz findet Zuflucht in den Reichtumszonen dieser Welt. „Die derzeit wieder vorherrschende Orientierung der Flüchtlingspolitik auf Abschottung, Ablehnung und Abschiebung ist inhuman und bringt nichts für die Reduzierung der Flüchtlingszahlen“ sagt Andreas Linder, Geschäftsführer des Vereins move on. „Für das Ziel der Reduzierung der Zahl von Flüchtlingen ist nur eine konsequente Bekämpfung der Ursachen für zwangsweise Flucht zielführend und erfolgversprechend. Hierfür geschieht jedoch viel zu wenig.“

Das Asylrecht verteidigen und damit weiteren Rechtsruck verhindern Gerade mal 6,9 der 117,3 Millionen Flüchtlinge weltweit waren in 2023 Menschen, die einen Asylantrag stellen konnten, die meisten kamen aus Syrien, Afghanistan, Sudan und der Ukraine. Deutschland gehört immer noch zu den wichtigsten Aufnahmestaaten für Asylsuchende. Seit Beginn des Ukrainekriegs und der dabei ausgerufenen „Zeitenwende“ wird in der übererregt geführten politisch-medialen Debatte über Flüchtlinge inzwischen aber nicht nur die Aufnahmebereitschaft und -fähigkeit der Gesellschaft aufgekündigt3, sondern das Asylrecht als solches. Die von der Europäischen Union kürzlich beschlossene Auslagerung von Asylverfahren außerhalb der EU-Grenzen im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) soll bereits im Jahr 2026 in Kraft treten. Auch in Deutschland fordert insbesondere die CDU in ihrem neuen Grundsatzprogramm die Durchführung aller Asylverfahren in sogenannten sicheren Drittstaaten.4
„Das Grundgesetz gilt auch für Flüchtlinge. Was die CDU will, würde zur faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl und zum Abschied Deutschlands vom internationalen Flüchtlingsrecht führen. Das kann eine demokratische Partei, die zu den Mitgründern des deutschen Grundgesetzes gehört, nicht ernsthaft wollen" so Andreas Linder weiter. Der derzeit beklagte Rechtsruck der Gesellschaft sei von den etablierten politischen Parteien auch selbst gemacht. Insbesondere in der Flüchtlingspolitik werde der AfD in keiner Weise eine „Brandmauer“ entgegen gesetzt.

Plan.B: Engagement für Integration und Bleiberecht und gegen Abschiebung Der Verein betreibt das Projekt Plan.B, über das zahlreiche Geflüchtete in Stadt und Landkreis Tübingen intensiv im Asylverfahren beraten und bei der Integration begleitet werden. Plan.B setzt sich weiterhin intensiv und überwiegend sehr erfolgreich für das Bleiberecht von Menschen ein, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die jedoch über Arbeit oder Ausbildung gut integriert sind. Auffällig bei der Beratungsarbeit seit Ende der Corona-Pandemie ist, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in deutlich mehr Fällen als früher ein „Dublin-Verfahren“ durchführt. 

„Dies betrifft sehr viele Menschen mit überwiegend „guter Bleibeperspektive“, vor allem aus Syrien und Afghanistan. Diese Menschen haben einen Schutzbedarf und sollten nicht in der EU hin- und hergeschoben werden“, sagt Matthias Schuh von Plan.B. So wurde am 15. Mai ein – ansonsten völlig unbescholtener – Afghane nach über einem Jahr Aufenthalt aus Mössingen nach Bulgarien abgeschoben. Dort wurde er vorübergehend inhaftiert und es droht ihm jetzt sogar die Abschiebung nach Afghanistan. Die meisten Dublin-Verfahren gehen jedoch ohne Überstellung aus, unter anderem, weil Italien niemanden mehr zurücknimmt. „Diese Verfahren sind also dazu da, dass die Flüchtlinge Angst haben sollen und dass sie ein oder zwei Jahre bei der Integration verlieren“, resumiert Matthias Schuh. Mit Blick auf die Diskussion über den (afghanischen) Attentäter von Mannheim rät der Verein, Maß und Mitte zu bewahren: „Auch uns schockiert es zutiefst, wenn – einzelne - Menschen, die vor Jahren als Flüchtlinge ins Land kamen und ein Bleiberecht erhalten haben, schwere Straftaten begehen. Man sollte aber dennoch in der politischen Diskussion die Kirche im Dorf lassen: solche Straftaten müssen mit strafrechtlichen Mittel geahndet werden. Der Ruf nach Abschiebungen in Länder wie Syrien oder Afghanistan, deren Regime sich an keinerlei menschenrechtliche Standards halten, ist schlicht unverantwortlich.“ Siehe auch die diesbezügliche Stellungnahme von Pro Asyl und Anwaltsvereinen.1

save our families: Gefährdeten Menschen einen sicheren Hafen bieten! Der Verein move on ist eine von 70 zivilgesellschaftlichen Meldestellen im Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan5 (BAP). In diesem Programm wurden bisher 70 Anträge eingereicht für Menschen, die aufgrund ihrer früheren Tätigkeiten im Bereich Frauen- und Menschenrechte, Medien, Justiz, Kultur etc. seit der Machtübernahme durch die Taliban in Lebensgefahr sind. Der Verein unterstützt die Menschen, die eine Aufnahmezusage erhalten, auch im Visumverfahren und bei der Ausreise, zum Teil auch mit beträchtlicher finanzieller Hilfe. Etwa die Hälfte der Anträge sind bisher angenommen worden, in 13 Fällen wurde eine Aufnahmezusage erteilt. „Stadt und Landkreis Tübingen haben sich öffentlichkeitswirksam zum sicheren Hafen erklärt. Bei diesen Familien besteht die Möglichkeit, diese Absichtserklärung mit Leben zu füllen“, sagt Andreas Linder. In Kürze steht die Einreise der ersten drei Familien an, die Verwandte oder persönliche Bezüge in Tübingen haben. Hierbei bittet der Verein um Unterstützung bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum. Nähere Informationen hierzu sollen bei einer öffentlichen Informationsveranstaltung zum BAP am 18. Juli gegeben werden. Wer einen guten Tipp hat, kann sich auch per E-Mail melden unter bap@menschen-rechte-tue.org

Mehr Informationen: https://menschen-rechte-tue.org

Flyer Gesucht: Aktivität für Menschenrechte (PDF), Flyer Gesucht: Sicherer Hafen (PDF)

Flyer save our families: Bitte um Spenden oder Darlehen (PDF) Projektflyer save our families (PDF)

 

Hinweis: UNO-Flüchtlingshilfe Deutschland e.V.: Für Solidarität mit Geflüchteten weltweit - am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag. https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/aktuelles/weltfluechtlingstag

Informationen zum Tübinger Bündnis gegen die „Bezahlkarte“: https://keep.tuebingen.social/bezahlkarte

2 https://www.unhcr.org/global-trends-report-2023

3 Eine aktuelle bundesweite Befragung unter 773 Kommunen, die der Mediendienst Integration mit der Universität Hildesheim durchgeführt hat, zeigt: Für 71% der Kommunen ist die Unterbringung von Geflüchteten herausfordernd, aber machbar

4 „Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren." vgl. https://www.grundsatzprogramm-cdu.de, S.23

5 https://www.bundesaufnahmeprogrammafghanistan.de/bundesaufnahme-de/

 

Das Schwäbische Tagblatt Tübingen berichtete am 19.6.2024: "Flüchtlinge besser integrieren"

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