Appell für Fortsetzung von Aufnahmeprogrammen

In dem gemeinsamen Appell "Menschenrechte verteidigen – schutzbedürftige Menschen aus Afghanistan weiter aufnehmen!" fordern 44 Organisationen, darunter auch move on - menschen.rechte Tübingen e.V., eine Weiterführung des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan (BAP) und anderer humanitärer Aufnahmeprogramme. Gefordert wird in dem Papier, dass die Aufnahme von Menschen, die im BAP bereits eine Aufnahmezusage erhalten haben und in Pakistan auf das Visum, warten, verantwortlich fortgesetzt wird. Die Organisationen treten dabei auch der von rechten Parteien und Medien jüngst vorgetragenen Kritik an diesen Aufnahmeflügen entgegen. Desweiteren wird gefordert, dass weitere Schutzbedürftige, deren Leben in Afghanistan in Gefahr ist oder die etwa von Abschiebung von Pakistan nach Afghanistan bedroht sind, Schutz erhalten können. Die angehende neue Bundesregierung hatte in ihrem Sondierungspapier verabredet, "freiwillige Bundesaufnahmeprogramme, soweit wie möglich, zu beenden (z.B. Afghanistan) und keine neuen Programme aufzulegen" Dies wäre aus Sicht von PRO ASYL ein "massiver Rückschritt im Menschenrechtsschutz"

Über folgenden Link bei Open Petition können sich weitere Organisationen diesem Appell anschließen: openpetition.de/!mykhh

Medienberichte zum Appell:

 

 

Hintergrundinformationen zum Appell

  • Mit dem Rückzug der westlichen Truppen aus Afghanistan und der Machtübernahme durch die islamistischen Taliban im August 2021 ging der längste, teuerste und blutigste Stellvertreterkrieg nach dem 2. Weltkrieg zu Ende. Für die Menschen, die die neuen Machthaber als verwestlicht, als Ungläubige oder Verräter ansehen, geht der Krieg aber weiter. Von Verfolgung und schweren Menschenrechtsverletzungen sind insbesondere Frauen und Mädchen sowie Menschen mit anderer sexueller Orientierung betroffen, aber auch Menschenrechtler:innen, Journalist:innen und alle, denen vorgeworfen wird, mit dem Westen zusammengearbeitet zu haben.

    Der Westen und auch Deutschland haben eine große Hypothek in Afghanistan. Nach den hektischen Evakuierungen im August 2021 ist deswegen neben dem Ortskräfteverfahren im Oktober 2022 auch das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) begonnen worden. Mit diesem Programm sollte der Schutz von Menschen sichergestellt werden, die sich für Menschenrechte, Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Frieden in Afghanistan eingesetzt hatten oder die aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung in besonderer Weise gefährdet sind. Mit dem Ende der Legislaturperiode läuft das BAP aus. Bis dato wurden im Rahmen dieses Programms tatsächlich lediglich 1.262 Personen in Deutschland aufgenommen, laut Aufnahmeanordnung wären bis zu 36.000 möglich gewesen.

  • Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) wurde 2022 gestartet: Gemeinsame Pressemitteilung von AA und BMI zum Bundesaufnahme­programm für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan - Auswärtiges Amt . Mit diesem Programm sollte der Schutz von Menschen sichergestellt werden, die sich für Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Frieden in Afghanistan eingesetzt hatten oder die aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung in besonderer Weise gefährdet sind. Bis zu 1.000 Personen pro Monat, d.h. bis zu 36.000 Personen insgesamt, sollten über das Programm aufgenommen werden.
  • Stand 28. Februar 2025 sind jedoch nur 1.262 Personen im Rahmen des BAP nach Deutschland eingereist (Quelle: Bundestags-Drucksache 15087). Laut Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage wurden im BAP Aufnahmezusagen für insgesamt 917 Hauptpersonen und deren 2164 Familienangehörige erteilt. Tatsächlich in Deutschland eingereist sind 1262 Personen (433 Hauptpersonen und 833 Familienangehörige).

  • Insgesamt wurden seit 2021 in allen Programmen (Ortskräfteverfahren, sog. Menschenrechtsliste, sog. Überbrückungsprogramm sowie Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan) Aufnahmeerklärungen für 46.017 Personen (10.619 Hauptpersonen und 35.578 Familienangehörige) erteilt und davon sind 36.053 (8.024 Hauptpersonen und (28.030 Familienangehörige) tatsächlich in Deutschland eingereist. (Stand: 28. Februar 2025, Quelle: siehe ebenfalls Bundestags-Drucksache 15087, Nr.34). 3.080 afghanische Staatsangehörige einschließlich Familienangehöriger befinden sich noch in Pakistan im Ausreiseverfahren (davon 447 Personen im Ortskräfteverfahren,
    1.557 Personen im Bundesaufnahmeprogramm und 1.076 Personen Menschenrechtsliste und Überbrückungsprogramm) (Stand: 28. Februar 2025, Quelle: siehe ebenfalls Bundestags-Drucksache 15087, Nr.36).

  • Es darf nicht bei den 1.262 aufgenommenen Personen bleiben. Neben den ca. 3.080 Personen, die in dem Programm eine Aufnahmezusage erhalten hatten, gibt es weitere ca. 17.000 Menschen, die ausgewählt und kontaktiert wurden. Diese Menschen wurden in Afghanistan zurückgelassen und sind akut gefährdet. Sie haben ihre ganze Hoffnung auf Deutschland gesetzt und wurden schwer enttäuscht. Wir wollen, dass diese Menschen nicht im Stich gelassen werden. Die Arbeit der Auswahlkommission des BAP sowie die Erteilung von Aufnahmezusagen ist auf Druck der rechten Opposition im Rahmen der laufenden „Migrationsdebatte“ bereits im Frühjahr 2024 ausgesetzt worden. Wir wollen, dass das Programm so fortgesetzt wird, dass weitere Aufnahmezusagen zu gestellten Anträgen erteilt werden können. Die vom Haushaltsausschuss am 6.11.2024 in den Bundeshaushalt 2025 eingestellten Mittel können zur vollumfänglichen Weiterführung des Programms eingesetzt werden. Auch die Koordinierungsstelle der Zivilgesellschaft sollte wieder ihre Arbeit aufnehmen können.

  • Zuschrift von einer Person, die aktuell in Pakistan ausharrt (Übersetzung): "Ich bin sehr besorgt. In diesen Tagen höre ich in den Medien Nachrichten über die Schließung des Aufnahmeprogramms für Afghanen, die in Pakistan darauf warten, nach Deutschland aufgenommen zu werden. Falls Sie mehr Informationen darüber haben, bitte teilen Sie sie mit uns. Wenn der Prozess geschlossen wird, haben wir keine Möglichkeit, nach Afghanistan zurückzukehren. Ich weiß nicht, was ich tun soll oder wohin ich gehen kann. Im Moment schlafen wir Tag und Nacht nicht vor Sorge. Wir sind sehr besorgt über unsere Zukunft. Wir haben noch kein Interview erhalten, und ich weiß nicht, woran das liegt."

  • "This admission program is the only hope for us Afghan women. Afghan women must not be left alone in the fight against the gender apartheid of the Taliban regime“ (Gemeinsames Statement afghanischer Frauenorganisationen, 2.11.2024) Wir wollen, dass Deutschland auch Schutz ermöglicht für aktuell in Pakistan und anderswo aufhältige afghanische Menschenrechtler:innen, die in besonderer Weise in Gefahr und von Abschiebung bedroht sind. Viele Anträge im BAP für alleinstehende, politisch aktive oder anderweitig besonders gefährdete Frauen und Mitglieder der LSBTIQ+-Community, die dringend Schutz und Aufnahme brauchen, sind nicht beachtet oder nicht berücksichtigt worden. Diese Menschen befinden sich in Afghanistan in Lebensgefahr. Diejenigen, die es geschafft haben, in Nachbarländer zu fliehen, sind dort in besonders prekären Lebenssituationen und ständig von der Abschiebung nach Afghanistan bedroht. Die Situation dieser Menschen zeigt auf, dass es unmenschlich wäre, sich vom Leid und der Gefahr, in der sich diese Menschen befinden, abzuwenden. Allein unser Verein hat eine Liste von 130 Frauen, die im BAP nicht berücksichtigt wurden und die aufgrund ihrer Mitgliedschaft in frauenpolitischen Organisationen, aufgrund Teilnahme an Protestaktionen gegen das Taliban-Regime und nachfolgender Schikanierungen oder aufgrund Bedrohung durch Zwangsverheiratung und anderer drohende Menschenrechtsverletzungen extrem in Gefahr befinden.

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