Bericht von der Kundgebung "Not in our name - blame racism, not the victims"

Unter dem Leitspruch „Not in our names! Blame racism – not the victims“ rief die gambische Community in Tübingen und Umgebung zur Kundgebung am 1.4.2023 auf. Im Andenken an Basiru Jallow ("B-Boy) , der am 23.3.2023 im Alten Botanischen Garten in Tübingen ermordet wurde. Die Gedenkveranstaltung am Mittwoch war ganz der Trauer und der Erinnerung an Basiru Jallow gewidmet. Die Kundgebung am 1. April sollte der Wut Raum geben, die die rassistische Instrumentalisierung durch den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer auslöste. acli e.V., adis e.V., Arbeitskreis Asyl Südstadt, Asylzentrum Tübingen e.V., Black Visions and Voices, move on – menschen.rechte Tübingen e.V. / Plan.B  und weitere über 30 Gruppen und Organisationen riefen mit zur Kundgebung auf. 500 Menschen versammelten sich auf dem Tübinger Holzmarkt.

Aline Mistral von Black Visions and Voices führte durchs Programm.

Die Rede von Mafoday Cham, Ammerbucher Unternehmer und Teil der gambischen Community, machte den Anfang. Nach einer Schweigeminute gab er zu Bedenken, dass Konflikte nicht mit Gewalt gelöst werden können und gerade im öffentlichen Dienst und der Verwaltung Grundsätze zum Umgang mit Konflikten und miteinander gelten. Dass ein Oberbürgermeister darauf hingewiesen werden muss, erschüttere sein Vertrauen in den OB. Er machte klar, dass ein Oberbürgermeister Verantwortung trägt für den Schutz und das Wohlergehen der Bürger*innen, unabhängig von ihrer Herkunft. Im Anschluss sprachen Dagmar Menz und Ruben Malina vom Asylzentrum Tübingen. Sie bedauerten die Störung der Trauerzeit durch die Vorverurteilungen von B-Boy, dem als Opfers Respekt und Würde gebühren. Die Fokussierung auf Gambia und die Stigmatisierung gambischer Community als angebliche Drogendealer zeige die verengte rassistische Denkweise von Boris Palmer und anderen. Sie forderten stattdessen eine Debatte über die Drogenproblematik ohne Diskriminierung und Rassismus. Statt den alten botanischen Garten als Ort der Gewalt darzustellen, von dem ganze Gruppen durch pauschale Verdächtigungen verdrängt werden sollen, appellierten die Redner*innen den „Bota“ als Ort der Begegnung und des Gedenkens zu sehen. Sie gaben zu bedenken, wie wichtig dieser Platz für Menschen ist, die in beengten Wohnungen leben und keine privaten Gärten haben.

Saiko Suwareh rief in Erinnerung, mit welcher Energie und welche Träumen B-Boy nach Deutschland gekommen war und nun als Leiche zurückgeschickt wird. Er forderte alle Tübinger_innen auf, nach dieser furchtbaren Tat im Alten Botanischen Garten zusammenzustehen. Wir dürften uns weder instrumentalisieren lassen noch populistisch reagieren- egal, von welcher Seite. Sein Plädoyer: Wir sind es B-Boy schuldig, dass sich jetzt in Tübingen etwas verändert. „Finden wir wieder zusammen!“. Saiko Suwareh bedankte sich bei allen Tübinger_innen und allen Gruppen und Initiative, die in dieser Woche an der Seite der gambischen Community standen.

Yahya Sonko formulierte deutlich das Anliegen der Kundgebung: Wir sind hier, um Boris Palmer als das zu benennen, was er ist – ein Rassist. Er bedauerte, dass dies Palmer daran hindert Menschen richtig zuzuhören, wenn sie von ihren Erlebnissen mit Rassismus und Diskriminierung berichten. Menschen in Führungspositionen können Zeichen setzen, indem sie sich gegen Hass und Gewalt äußern. Sie sollen Probleme lösen und möglichst viele Menschen daran beteiligten. Wenn eine Person jemanden verletzten (auch unabsichtlich), wird zurecht eine Entschuldigung erwartet. Eine Führungsperson hat nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern für viele Menschen. Deshalb forderte er Boris Palmer auf, sich bei B-Boy, seiner Familie in Gambia und in Deutschland sowie bei der ganzen gambischen Community in Tübingen, Gambia und der Diaspora zu entschuldigen. Yahya Sonko verwahrte sich gegen die rassistische Stigmatisierung, die die Verknüpfung von Gambiern mit angeblichem Drogenhandel hervorruft. Er rückte stattdessen in den Fokus, wie viele gute Beispiele es von Menschen aus der gambischen Community gibt, die zum Teil seit 25 Jahren in Tübingen leben.

Der Menschenrechtsaktivist Seyoum Habtemariam kritisierte neben Boris Palmer auch das Schweigen seiner Partei. Die Grünen diskutieren gerade ihn nach dem Ruhenlassen seiner Mitgliedschaft wieder als volles Parteimitglied zuzulassen. Seit 12 Jahren äußere sich Palmer ohne Konsequenzen immer wieder rassistisch, damit müsse endlich Schluss sein. Außerdem mahnte er an, dass auch die Universität Tübingen anti-Schwarzen und anti-asiatischen Rassismus in Texten auf ihrer Homepage reproduziere und rief auf, diese zu löschen.

Samantha Strohmenger und Jessica Lawson von Black Visions und Voices verdeutlichten in ihrer Rede, wie Boris Palmer Basiru Jallow vom Opfer zum Täter umkehrt und durch das Bedienen rassistischer Narrative seinen Tod für seine asylpolitische Agenda benutzt. Ein solches Verhalten sei mittlerweile erwartbar, weshalb sich BVV 2022 mit einer Initiative gegen eine Wiederwahl Palmers und für einen OB ohne Rassismus engagiert hatten. Die Wiederwahl Palmers im Oktober 2022 zeige, dass in Tübingen Radwege scheinbar wichtiger seien als die Menschenwürde. Boris Palmers Wähler_innen hätten über rassistische Aussagen hinweggesehen und so ein Zeichen der Unterstützung für seinen anti-Schwarzen Rassismus gesetzt. Ein Zeichen, dass Rassismus nicht so wichtig ist und ein Zeichen dafür, wer in Tübingen als Mensch gesehen wird. Sie drückten den Familien und Freund*innen ihr Beileid aus und ihre Verbundenheit in Trauer und Wut.

Während der ganzen Kundgebung standen ca. 30 Personen auf der Bühne, stärkten den Redner_innen mit Schildern und Bannern den Rücken.

Im Anschluss an die Redebeiträge ging die Menge den kurzen Weg zum Marktplatz vor dem Rathaus. Dort versammelten sich alle für einige Schweigeminuten, den Blick -abgewandt vom Rathaus in Richtung alter botanischer Garten gerichtet.

Alle Reden finden Sie als Transkript und Mitschnitt unter https://keep.tuebingen.social/20230401/

Andreas Foitzik

Schweigeminute vor dem Rathaus Tübingen

Grüsse an den Oberbürgermeister

 

 

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