Presseinfo 24.8.2021

Tübingen: Die Beratungsstelle Plan.B und das Asylzentrum unterstützen in der Region lebende afghanische Staatsbürger*innen bei der Stellung von Anträgen für die Aufnahme von gefährdeten und schutzbedürften Angehörigen.

Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland evakuiert nach der Machtübernahme durch die Taleban in Afghanistan deutsche Staatsbürger*innen und insbesondere sogenannte Ortskräfte (Personen, die für das deutsche Militär oder deutsche Organisationen gearbeitet haben). Tatsächlich sind aber sehr viel mehr Menschen einer akuten Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt. Hierzu gehören auch Familienangehörige und Verwandte von in Deutschland lebenden afghanischen Geflüchteten.

"Wir begrüßen, dass sich die Bundesregierung jetzt endlich und leider viel zu spät dazu bekennt, die Aufnahme der sogenannten Ortskräfte zu betreiben. Wir sprechen uns aber dagegen aus, dass jetzt bereits wieder zwei Klassen von Schutzbedürftigen konstruiert werden. Wir sind dafür, dass die Evakuierungsflüge so lange wie möglich fortgesetzt werden und dass auch andere Schutzbedürftige mitgenommen werden" sagt Andreas Linder, Vorsitzender des Vereins move on. "Täglich wenden sich aktuell afghanische Geflüchtete hilfesuchend an uns. Sie sind krank vor Sorge um ihre Eltern, Geschwister und anderen Verwandten" führt Linder weiter aus.

Die in Afghanistan lebenden Angehörigen seien zum Teil allein deswegen besonders gefährdet, weil ihre Verwandten als Flüchtlinge in Deutschland leben und dies den Taleban bekannt sei. So erhielt eine in Kabul lebende Familie seit letzter Woche schon zwei mal nächtlichen "Besuch" von Taleban mit Kalaschnikows. Einige im Kreis lebende Geflüchtete hätten den rechtlichen Anspruch auf einen Familiennachzug, aber durch das jetzt entstandene Chaos und den Abzug etwa der deutschen Botschaft bestehe dieser Anspruch nur noch auf dem Papier. So hat ein afghanischer Geflüchteter vor Kurzem vom Verwaltungsgericht die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen bekommen. Seine fünf Kinder, darunter heranwachsende Mädchen, sind jetzt trotz Anspruch auf Familiennachzug schutzlos mitten in der Großstadt Kabul und ohne die kürzlich an Covid verstorbene Mutter.

Deswegen hat sich der Verein an die örtlichen Bundestagsabgeordneten gewandt. Diese haben sich bereit erklärt, eingebrachte Anträge an das Auswärtige Amt weiterzuleiten. Die Chancen bei einem der Evakuierungsflüge mitgenommen zu werden, werden als gering eingeschätzt. Das Vorbringen der Anträge soll aber auch signalisieren, dass es über die Evakuierungsaktion hinaus ein längerfristiges internationales Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge aus Afghanistan braucht. Aus "2015" könne man lernen, dass es wichtiger sei, Leben zu retten und Menschenrechte zu schützen anstatt Grenzen abzuschotten und die Menschen ihrem Schicksal zu überlassen. Hierfür sei auch ein eigenes Aufnahmeprogramm des Landes Baden-Württemberg ein Gebot der Stunde.

Kontakt:
move on / Beratungsstelle Plan.B: E-Mail: info@planb.social , Tel. 07071 - 96 69 94-0
Asylzentrum Tübingen: E-Mail: vorstand@asylzentrum-tuebingen.de, Tel. 07071 - 44 115


Hinweise

- 20.8.2021 Informationsblatt und Antragsformulare zum Download: move on - menschen.rechte Tübingen e.V.:  Antrag für Aufnahme in Deutschland über einen Evakuierungsflug. Informationen für in Deutschland lebende afghanische Staatsbürger*innen und ihre bedrohten Angehörigen in Afghanistan (Deutsch-Persisch/Dari, PDF) (Direktlink: https://menschen-rechte-tue.org/index/menschen-rechte-aktiv/artikel/antrag-fuer-aufnahme-in-deutschland-ueber-einen-evakuierungsflug.html )

- Auswärtiges Amt: Evakuierungen aus Afghanistan

- Flüchtlingsrat Niedersachsen: Ausreise aus Afghanistan? Aktuelle Informationen

Flüchtlingspolitische Forderungen / Weitere Informationen:

- PRO ASYL (20.8.2021): Flucht aus Afghanistan – Was Deutschland jetzt machen muss

- Flüchtlingsrat Baden-Württemberg (20.8.2021): Appell an Ministerin Gentges zur aktuellen Lage in Afghanistan

Die Tageszeitung (20.8.2021): Selektive Aufnahme von Geflüchteten: Zwei-Klassen-Asyl. Die Luftbrücke aus Kabul ist richtig. Umso größer ist der Hohn für die Schutzsuchenden, die nicht für ausländische Regierungen gearbeitet haben.

 

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