Mit deutscher Frau verheirateter Pakistani aus Tübingen abgeschoben

Am 6. Januar wurde der pakistanische Staatsbürger Bilal W. aus Tübingen nach Pakistan abgeschoben. Die Abschiebung erfolgte, obwohl Herr W. seit 2018 mit einer deutschen Frau verheiratet ist. Über 500 Menschen folgten daraufhin am späten Abend des 11. Januar einem Aufruf zur Demonstration von Mitarbeiter*innen des Landestheaters Tübingen, bei dem die Ehefrau des Abgeschobenen beschäftigt ist. Bereits bei der Kundgebung wurde die Position vertreten, dass diese Abschiebung rechtswidrig war und Herr W. auf Kosten des deutschen Staats nach Deutschland zurückgeholt werden muss. Am 7.2.20 wandte sich die Ehefrau mit dieser Forderung mit einer Online-Petition an die Öffentlichkeit.

Hintergrund der Abschiebung: Von den zuständigen Behörden wird diese Abschiebung damit begründet, dass gegen Herrn W. ein „zwingendes Ausweisungsinteresse“ bestanden habe. Bei seiner Einreise nach Deutschland habe er einen falschen Pass benutzt, weswegen sein Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt worden sei. Im Jahr 2018 kam es jedoch zur Heirat mit einer deutschen Frau. Das damals noch laufende Asyl-Klageverfahren wurde zurückgenommen. Herr W. stellte danach einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund der erfolgten Eheschließung. Dies wurde jedoch mit Verweis auf die Identitätstäuschung bei der Einreise abgelehnt. Herr W. wurde aufgefordert, nach Pakistan auszureisen und dort bei der Botschaft einen Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zweck der Familienzusammenführung zu machen. Auf diesem Weg könne er eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erhalten. Herr W. lehnte diesen Vorgang, der einen langen Zeitraum in Anspruch genommen hätte, ab, und beantragte über seinen Anwalt erneut eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Dieser Antrag wurde am 2.Januar 2020 von der Tübinger Ausländerbehörde abgelehnt und stattdessen die Abschiebung eingeleitet. Eine dagegen eingereichte Klage des Anwalts kam zu spät.

Offen bleibt die Frage, ob es rechtlich zulässig ist, eine rechtmäßig verheiratete Person abzuschieben. Das Recht auf Ehe und Familie steht grundsätzlich über dem ausländerrechtlichen Aufenthaltsbeendigungsinteresse. Wenn die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht möglich war, hätte der Aufenthalt von Herrn W. zumindest weiter geduldet werden müssen. Die zuständigen Behörden wie auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer rechtfertigten die Abschiebung jedoch mit "zwingenden Vorgaben des Ausländerrechts". Andere, wie auch SPD-MdB Martin Rosemann, hielten das für eine „krasse Fehlentscheidung“. Ehefrau und Unterstützer*innen fordern die sofortige Rückholung. Dies wird nun auch von OB Palmer unterstützt, der sich für eine Beschleunigung des Visumsverfahrens einsetzt.

Medienberichte / weitere Informationen:

 

 

Aufruf LTT-Mitarbeiter*innen vom 10.1.2020:

"Abschiebestopp jetzt! Kundgebung am Samstag, 11. Januar 2020 um 21.45 Uhr auf dem Holzmarkt.
Anfang der Woche hat die Abschiebepraxis des Baden-Württembergischen Innenministeriums radikal in das Leben einer unserer Mitarbeiterinnen am Landestheater Tübingen eingegriffen.

In der Nacht auf den 07. Januar wurde ihr Ehemann ohne Vorwarnung von der Polizei aus seiner Wohnung geholt und zum Frankfurter Flughafen gebracht und um 5 Uhr früh gegen seinen Willen ausgeflogen.
Der nächtliche und offensichtlich präzise durchgetaktete Vorgang ließ keinerlei Möglichkeit, Rechtsbeistand in Anspruch zu nehmen. Weder seine Ehe mit einer deutschen Staatsbürgerin noch ein laufendes juristisches Verfahren schützten den Mann vor der Abschiebung.

Wir werden dieses staatliche Vorgehen niemals als Teil unseres gesellschaftlichen Normalzustands akzeptieren. Jedes einzelne Mal, wenn ein Mensch durch behördliche Anordnung und polizeilichen Zwang in Form einer Abschiebung aus seinem Leben gerissen wird, stellt einen Zivilisationsbruch dar.

Deswegen laden wir im Anschluss an die Theatervorstellungen am Samstag, 11. Januar 2020  um 21:45 Uhr zu einer abendlichen Kundgebung auf dem Holzmarkt ein."

 

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