Kleiner Erfolg: Dublin überstanden!

Im November 2023 kam die Afghanin Sarah S.(Name geändert) nach einer langen Flucht, bei der sie auch von dem schweren Erdbeben in der Türkei betroffen war, in Deutschland an und stellte einen Asylantrag. Seitdem lebt sie im Kreis Tübingen. Im April 2024 erhielt sie die Anhörung zu den Fluchtgründen beim BAMF. Doch statt sie als Flüchtling anzuerkennen und ihr in Deutschland Schutz zu gewähren (was aufgrund der vorgebrachten Fluchtgründe nahegelegen hätte) wurde der Asylantrag als unzulässig abgelehnt und aufgrund der Dublin-Verordnung die Abschiebung nach Italien angeordnet. Dies geschah im vollen Bewußtsein, dass das Dublin-System in Bezug auf Italien nicht mehr funktioniert, da Italien bereits im Dezember 2022 erklärte, niemanden mehr aus Deutschland zu übernehmen. Mit Unterstützung von Plan.B reichte Sarah eine Klage gegen die Ablehnung ein. Das bange Warten und die Unsicherheit sind seit dem 12.9. vorbei. Die Dublin-Überstellungsfrist ist abgelaufen und Deutschland muss das Asylverfahren übernehmen.

Dieser Fall ist ein Beispiel für den strukturell unangemessenen Umgang mit Schutzbedürftigen aufgrund des St.Florians-Prinzips der Dublin-Verorndung. Wenn es im Asylverfahren mit rechten Dingen zugehen würde, hätte Sarah schon längst die Anerkennung als Flüchtling bekommen und wäre in Deutschland sicher. Dafür sprechen die Gründe für ihre Flucht. Sarah war Leiterin einer friedenspädagogischen Organisation in Afghanistan. Nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 wurde das Büro der Organisation von einem Taliban-Kommando durchsucht und Sarah wurde tagelang verhört und misshandelt. Ihre gesamte Familie floh daraufhin aus der Heimatstadt und fand vorübergehend Zuflucht in der Großstadt Kabul. Die Flucht aus Afghanistan schafften aber nur Sarah und ihr jüngerer Bruder, alle anderen wurden aufgegriffen und nach Afghanistan zurückgeschoben und sind dort weiter in Gefahr. Die Flucht endete zunächst in der Türkei, wo Sarah mit ihrem Bruder fast ein Jahr lang lebte und fast zu Tode kam. Sie und ihr Bruder wurden bei dem schweren Erdbeben in der Südtürkei / Nordsyrien im Februar 2023 verschüttet (vgl. Tagesschau 24.2.24) und glücklicherweise gerettet. Auch durch dieses Schicksal ist Sarah weiterhin schwer psychisch belastet. Im Asylverfahren hat dies freilich niemanden interessiert. Aufgrund der seit Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 praktizierten neuen "Gender-Apartheid" gegen Frauen in Afghanistan haben im Grund alle aus Afghanistan geflohene Frauen einen Schutzbedarf und die Anerkennungsquote dieser Gruppe ist dementsprechend auch tatsächlich sehr hoch. Dies gilt insbesondere für politisch aktive und exponierte Frauen wie Sarah.

So wie Sarah geht es vielen Flüchtlingen insbesondere aus Ländern wie Afghanistan, Iran, Irak, Syrien: Sie haben einen eindeutigen Schutzbedarf, werden aber aufgrund der Dublin-Verordnung als unzulässig abgelehnt. Nach mehreren Monaten Unsicherheit, bei der die Menschen auch noch auf gekürzte Sozialleistungen und Duldung gesetzt werden, läuft die Dublin-Frist ab und Deutschland wird für das Asylverfahren zuständig. Dann vergehen viele weiteren Monate bis endlich über den Asylantrag entschieden ist und in der Regel positiv. Das Dublin-System führt also dazu, dass Menschen mit eindeutigem Schutzbedarf 1 bis 3 Jahre Lebenszeit genommen wird, in denen ihnen der Schutz und Integrationsleistungen vorenthalten werden. Und selbstverständlich macht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in keinem einzigen Fall vom Selbsteintrittsrecht nach der Dublin-Verordnung Gebrauch (Art. 17 Dublin-III-VO)

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