Keine Abschiebung nach irgendwo - Protestaktion Di, 8.6., 19.00 Uhr, Tübingen

Keine Abschiebung nach irgendwo
- erst recht nicht nach Afghanistan. Abschiebemoratorium jetzt!
Protestaktion, Dienstag, 8.6.21, 19.00, Tübingen, Wilhelm-Keil-Str. 48 (neben Landratsamt)

mit Redebeiträgen von: Bündnis Bleiberecht, Seebrücke, Informationsstelle Militarisierung, afghanischen Frauen ...

Kommt und nehmt teil! Bringt Schilder und Transparente mit!

Bitte einen Mund-Nasen-Schutz tragen und zu den anderen Teilnehmer*innen und Passant*innen einen Abstand von mindestens 1,5 Metern halten. Hinweis: Versammlungen zur Wahrung der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Grundgesetz sind laut § 11 Corona-Verordnung Baden-Württemberg bei Einhaltung der Hygiene-Vorschriften (Abstand, Maske etc.) zulässig. Die Versammlung ist beim Ordnungsamt Tübingen angemeldet.

Infos: Nicht mal die weltweite Corona-Pandemie scheint für die Seehofer-Abschiebungs-Industrie ein Hindernis für ihre sinnlosen Abschiebungen zu sein. Statt wirksam Fluchtursachen anzugehen werden weiter Geflüchtete bekämpft. Besonders widersinnig ist dies im Fall von Afghanistan. Die fast 20 Jahre andauernden militärischen Interventionen der westlichen "internationalen Gemeinschaft" sind überwiegend gescheitert. Jetzt sollen die US- und Nato-Truppen abgezogen werden. Dies führt bereits jetzt zu einer weiteren Zunahme von Chaos, Gewalt und Krieg in Afghanistan. Die Taliban werden jetzt überall im Land die Macht beanspruchen mit den entsprechenden Opfern und den Folgen für die Menschenrechte und insbesondere die Rechte von Frauen und Mädchen. Doch statt etwa Impfdosen zu liefern, werden mit viel Schmiergeld weitere Rückübernahmeabkommen abgeschlossen und Abschiebungen durchgeführt.

Seit Dezember 2016 hat Deutschland bei ca. 40 Sammelabschiebungen über 1.000 Menschen nach Afghanistan abgeschoben - mit riesigem logistischem, personellem und finanziellem Aufwand. Die für Anfang Mai 2021 geplante Sammelabschiebung wurde kurzfristig "verschoben". Nach Angaben aus dem Heimatministerium wurde der Vorgang zu diesem Zeitpunkt  für das deutsche Begleitpersonal aufgrund des beginnenden Truppenabzugs als zu gefährlich eingestuft. Wir wollen jedoch, dass Abschiebungen nach Afghanistan nicht verschoben, sondern vollständig eingestellt werden. Deswegen schließen wir uns der Forderung von PRO ASYL und den Flüchtlingsräten nach einem Abschiebungsmoratorium an. Auf diesem Ohr ist unser Heimatminister aber bekanntlich taub. Deswegen muss davon ausgegangen werden, dass die nächste Sammelabschiebung nach Afghanistan am 8. Juni stattfindet.

Wir führen diese Protestaktion vor der Flüchtlingsunterkunft in der Wilhelm-Keil-Straße neben dem Landratsamt durch, weil von dort am 19. Mai der 22-jährige Afghane H. nach Schweden abgeschoben werden sollte. Dies hätte zur Folge gehabt, dass Herr H. in einer "Kettenabschiebung" nach Afghanistan abgeschoben worden wäre. Doch er war zufällig nicht zuhause, als die Abschiebepolizei nachts um 3 Uhr unangemeldet in sein Zimmer eindrang. Herr H. kam 2015 im Alter von 15 Jahren als unbegleiteter Minderjähriger nach Schweden und stellte dort einen Asylantrag. Doch dieser wurde abgelehnt, weil auch das vormals als liberal geltende Schweden seine Asylpolitik massiv verschärft hat. Obwohl er in Schweden ein technisches Gymnasium besuchte und erfolgreich abschloss, drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan. Deswegen floh er Anfang Dezember 2020 aus Schweden nach Deutschland, wo Verwandte von ihm leben. Doch auch hier wurde sein Asylantrag bereits kurz darauf als "unzulässig" abgelehnt. Dagegen reichte Herr H. eine Klage ein, die weiter am Verwaltungsgericht anhängig ist.
 
Wir solidarisieren uns mit dieser Protestaktion mit Herrn H., weil wir wollen, dass niemand aus Deutschland und Europa nach Afghanistan abgeschoben wird, auch nicht über "Drittstaaten" wie Schweden. Nachdem Deutschland angeblich jahrelang „am Hindukusch verteidigt“ und dort ein Scherbenhaufen hinterlassen wurde, darf die humanitäre Verantwortung für Menschen, die bei uns Schutz suchen, jetzt nicht an den eigenen Staatsgrenzen aufhören!

Am 23. Juni läuft Herrn H.s Überstellungsfrist nach der Dublin-III-Verordnung ab, und vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg und anderer höherer Gerichte hat Herr H. eine gute Chance, dann zumindest ein humanitäres Abschiebungsverbot in Deutschland erhalten zu können. Dies wäre aus unserer Sicht der richtige Umgang mit jungen Menschen anstatt sie einem Endlos-Krieg oder dem humanitären Elend auszuliefern. Wir solidarisieren uns mit dieser Aktion auch mit allen anderen Geflüchteten, die mit Abschiebung bedroht sind und setzen uns dafür ein, dass sowohl im Einzelfall als auch generell eine vernünftigere und menschliche Flüchtlingspolitik betrieben wird..

Ausführliche Informationen / Links:

14.4.21 Thomas Ruttig in: Die Tageszeitung: Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan: Die Taliban übernehmen die Regie. Die USA wollen bald all ihre Truppen aus Afghanistan abziehen. Und die Taliban sagen für eine geplante Friedenskonferenz ab. Was heißt das für die Zukunft des Landes?

14.4.21 UNAMA: Need for violence to end in order to stop thousands of Afghan civilians being killed and injured in 2021 - UN Report

14.4.21 UNAMA: Afghanistan. Protection of civilians in armed conflict. First quarter update: 1 January to 31 March 2021

15.4.21 PRO ASYL: Innenpolitische Folgen des Afghanistanabzugs: PRO ASYL fordert Abschiebestopp und Neubewertung der Lage von Geflüchteten

20.4.21 Thomas Ruttig: US-Truppenabzug und Taleban-Absage an Friedenskonferenz (DLF 15.4., SRF 16.4., Zeit 17.4.)

29.4.2021 Arte Reportage: Schweden - sie schieben mehr Migranten ab

1.5.21 Afghan Analysts Network: As US troops withdraw, what next for war and peace in Afghanistan?

4.5.21 Flüchtlingsrat Bayern: Afghanistan-Abschiebung verschoben: Jetzt politische Konsequenzen ziehen! Gemeinsame Pressemitteilung des Bayerischen Flüchtlingsrats, der Flüchtlingsräte und Pro Asyl, 04.05.2021

4.5.21 Süddeutsche Zeitung: Afghanistan: Mörderische Attacken

5.5.21 move on - menschen.rechte Tübingen e.V.: Afghanistan: Sammelabschiebung (nur) verschoben - Abschiebemoratorium jetzt!

04.05.2021 tagesschau.de: Schwedens Asylpolitik Sechs Monate Gnadenfrist

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