human rights first: Für die Fortsetzung des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan und anderer menschenrechtlicher Aufnahmeprogramme

10.12.2024 – Zum Internationalen Tag der Menschenrechte

"This admission program is the only hope for us Afghan women. Afghan women must not be left alone in the fight against the gender apartheid of the Taliban regime“  (Gemeinsames Statement afghanischer Frauenorganisationen, 2.11.2024)

Zum Internationalen Tag der Menschenrechte fordert der Verein move on - menschen.rechte Tübingen e.V.:
1. Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) muss auch über das Ende der Legislaturperiode hinaus fortgesetzt werden.
2. Die vom Haushaltsausschuss in den Bundeshaushalt 2025 eingestellten Mittel müssen zur vollumfänglichen Weiterführung des Programms eingesetzt werden. Dazu gehört die Fortsetzung der Auswahlrunden, die Fortführung der Finanzierung der Koordinierungsstelle der Zivilgesellschaft, die Fortführung der Erteilung von Aufnahmezusagen und die Fortführung der Bearbeitung der ausgewählten Fälle bis zur Umsetzung der Einreisen nach Deutschland.
3. Die Bundesregierung muss die erforderlichen Mittel bereit stellen und die zivilgesellschaftlichen Organisationen bei allen Maßnahmen der Integration von aufgenommenen Personen / Familien in Deutschland fördern
4. Sollte das BAP nicht als Ganzes weitergeführt werden, braucht es ein Folgeprogramm für besonders gefährdete Frauen, queere Menschen und vulnerable Personen, die bisher im BAP nicht berücksichtigt wurden.

"Frauen und Mädchen, queere Menschen sowie Minderheiten werden in Afghanistan systematisch diskriminiert, unterdrückt und verfolgt. In Sonntagsreden wird dies von der deutschen Politik angeprangert. Wenn es aber darauf ankommt, werden solche Menschen im Stich gelassen." kritisiert Andreas Linder, Geschäftsführer des Vereins.

Als Meldestelle im Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan hat der Verein rund 100 Aufnahmeanträge eingebracht. In 14 Fällen gab es Aufnahmezusagen, zwei Familien sind inzwischen in Deutschland angekommen. Weitere 25 Fälle wurden vorausgewählt und bereits kontaktiert, verharren aber weiter in Angst und Ungewissheit in Afghanistan. Über 30 weitere Anträge, insbesondere für politisch aktive und verfolgte Frauen-Aktivistinnen wurden bisher nicht bearbeitet. „Es darf nicht sein, dass das Bundesaufnahmeprogramm (BAP) bei der Aufnahme von letztlich etwa 3.000 Personen endet, obwohl die Zielsetzung laut Aufnahmeanordnung bis zu 36.000 Menschen war“, sagt Andreas Linder. 

Neben den Anträgen unterstützt der Verein insbesondere Gefahr befindliche Frauen mit Spenden und Darlehen, damit sie an Versteckorten überleben können oder damit sie das Land verlassen können. Am 21. Dezember lädt der Verein zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung „Quo vadis Menschenrechte? Wie geht es weiter mit dem Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan?“ in das Eberhardsgemeindehaus Tübingen (Eugenstr. 26) ein.

Hintergrund-Informationen: Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) sollte besonders gefährdeten Afghan*innen Schutz in Deutschland über einen legalen Zufluchtsweg ermöglichen. Mit dem Programm verpflichtete sich die Bundesregierung zu ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gegenüber der afghanischen Zivilbevölkerung nach dem ungeordneten Abzug des Westens aus Afghanistan im August 2021. Laut Aufnahmeanordnung 1 der Bundesregierung sollten während der Legislaturperiode der Ampelkoalition Aufnahmezusagen für monatlich bis zu 1.000 gefährdete Personen erteilt werden (insgesamt bis zu 36.000). Doch zum aktuellen Zeitpunkt sind insgesamt nur knapp 1000 Personen aufgenommen worden.
Am 6. November beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestags, die erforderlichen Mittel für die Weiterführung des BAP in den Bundeshaushalt 2025 einzustellen. Am gleichen Tag, nur wenige Stunden später, brach die Ampelkoalition auseinander, nachdem Bundeskanzler Scholz Finanzminister Lindner entlassen hatte. Bereits kurz danach teilte das Bundesinnenministerium den am BAP beteiligten zivilgesellschaftlichen Organisationen mit, dass „absehbar“ keine neuen Aufnahmezusagen erteilt werden sollen – angeblich um keinen Druck auf die potenzielle neue Regierung zu machen. Die am BAP beteiligten zivilgesellschaftlichen Organisationen fordern jedoch eine uneingeschränkte Fortsetzung des BAP!

DAS BAP ZU BEENDEN HÄTTE FATALE KONSEQUENZEN FÜR DIE BETROFFENEN
Seit dem Abzug des Westens aus Afghanistan im August 2021 und der Machtübernahme durch die Taliban hat Deutschland bisher rund 38.000 gefährdete Menschen über das Ortskräfteverfahren, Menschenrechtslisten und das seit Oktober 2022 bestehende BAP aufgenommen. Über das BAP konnten bisher allerdings nur rund 1.000 in besonderer Weise gefährdete Menschen nach Deutschland einreisen. Versprochen waren im Koalitionsvertrag und in der Aufnahmeanordnung bis zu 1000 Personen pro Monat während der Legislaturperiode. Diese Legislaturperiode wird jetzt in kurzer Zeit zu Ende gehen. Was würde es bedeuten, wenn es bei den rund 1.000 Personen bleibt?
    • die Aufnahme von rund 2500 Menschen, denen bereits eine Aufnahmezusage erteilt wurde und die zum Teil seit vielen Monaten in Islamabad auf die Erteilung des Visums warten, stünde in Gefahr. Diesen Menschen, die alles aufgegeben haben und ihr ganzes Vertrauen auf Deutschland gesetzt haben, würde die Rückschiebung nach Afghanistan drohen. Viele dieser Menschen erklären jedoch ganz offen, dass sie lieber Selbstmord begehen werden als nach Afghanistan zurückzukehren.
    • die ca. 17.000 Menschen, die bereits von der Auswahlkommission des BAP vorausgewählt und kontaktiert wurden, aber noch keine Aufnahmezusage erhalten haben und bisher weiter in Unsicherheit und Gefahr in Afghanistan verharren, würden im Stich gelassen werden
    • mehrere tausend weitere Anträge im BAP, darunter zahlreiche Anträge für gefährdete Personen, darunter mutige und extrem schutzbedürftige Frauen, würden unbesehen im Antragssystem der Bundesregierung hängen bleiben.

In einer gemeinsamen Erklärung vom 4.12.2024 forderten daher 26 deutsche und internationale NGOs, darunter unser Verein die Erteilung weiterer Aufnahmezusagen, zügige Ausreiseverfahren und den Erhalt der Unterstützungsstrukturen, transparente Informationen zur Fortführung des Programmes sowie den Erhalt und Ausbau von sicheren Zugangswegen für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan

Hinweise:

4.12.24 Appell von 26 NGOs für die Fortsetzung des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan (DE / EN, PDF) Es darf nicht sein, dass das Bundesaufnahmeprogramm (BAP) bei der Aufnahme von letztlich etwa 3.000 Personen endet, obwohl die Zielsetzung laut Aufnahmeanordnung bis zu 36.000 Menschen sind.

7.12.24 Die Tageszeitung: Aufnahmeprogramm für Afghanistan. Scheitern, Schande oder letzte Rettung

5.12.24 NDR Info: Wer verantwortete 2021 den chaotischen Abzug aus Afghanistan?

01.11.2024 Joint statement of Afghanistan women's protest movements: Please don't forget Afghanistan! Don‘t forget the human rights! Statement from Afghan women's rights organizations on the German federal admission program in Afghanistan (PDF)

 

English Version

10.12.2024 – International Human Rights Day

human rights first: For the continuation of the Federal Reception Programme Afghanistan and other human rights-based reception programmes

"This admission program is the only hope for us Afghan women. Afghan women must not be left alone in the fight against the gender apartheid of the Taliban regime“
(Gemeinsames Statement afghanischer Frauenorganisationen, 2.11.2024)

On International Human Rights Day, the association move on - menschen.rechte Tübingen e.V. demands:

1. The Federal Reception Program Afghanistan (BAP) must be continued beyond the end of the legislative period.

2. The funds allocated by the Budget Committee in the 2025 federal budget must be used to fully continue the program. This includes continuing the selection rounds, continuing to finance the civil society coordination office, continuing to issue admission commitments and continuing to process the selected cases until entry into Germany is implemented.

3. The federal government must provide the necessary funds and support civil society organizations in all measures to integrate admitted persons / families in Germany

4. If the BAP is not continued as a whole, a follow-up program is needed for women, queer people and other particularly vulnerable people who have not yet been taken into account in the BAP.

"Women and girls, queer people and minorities are systematically discriminated against, oppressed and persecuted in Afghanistan. German politicians denounce this in Sunday speeches. But when it comes down to it, such people are left in the lurch. This cannot continue" criticizes Andreas Linder, managing director of the association.


As a registration office in the Federal Reception Program for Afghanistan, the association has submitted around 100 applications for admission. In 14 cases, admission was granted, and two families have now arrived in Germany. A further 25 cases were preselected and already contacted, but remain in fear and uncertainty in Afghanistan. Over 30 further applications, particularly for politically active and persecuted women activists, have not yet been processed. "It cannot be that the Federal Reception Program (BAP) ends with the admission of around 3,000 people, although the aim according to the admission order was up to 36,000 people" says Andreas Linder. In addition to the applications, the association supports women in particular danger with donations and loans so that they can survive in hiding places or so that they can leave the country.

On December 21, the association is inviting people to a public information event "Quo vadis human rights? What's next for the Federal Reception Program for Afghanistan?" in the Eberhardsgemeindehaus Tübingen (Eugenstr. 26).

Background information: The Federal Reception Program Afghanistan (BAP) was intended to provide particularly vulnerable Afghans with protection in Germany via a legal refugee route. With the program, the federal government committed itself to its human rights responsibility towards the Afghan civilian population following the disorderly withdrawal of the West from Afghanistan in August 2021. According to the federal government's Reception Order 1, admission commitments for up to 1,000 vulnerable people per month were to be made during the traffic light coalition's legislative period (up to 36,000 in total). However, at the moment, only just under 1,000 people have been admitted.

On November 6, the Bundestag's Budget Committee decided to include the necessary funds for the continuation of the BAP in the 2025 federal budget. On the same day, just a few hours later, the traffic light coalition fell apart after Chancellor Scholz dismissed Finance Minister Lindner. Shortly afterwards, the Federal Ministry of the Interior informed the civil society organisations involved in the BAP that no new admission commitments would be made "in the foreseeable future" - allegedly in order not to put pressure on the potential new government. However, the civil society organisations involved in the BAP are calling for the BAP to be continued without restrictions!

 

ENDING THE BAP WOULD HAVE FATAL CONSEQUENCES FOR THOSE AFFECTED

Since the West withdrew from Afghanistan in August 2021 and the Taliban seized power, Germany has so far admitted around 38,000 vulnerable people through the local force procedure, human rights lists and the BAP, which has been in place since October 2022. However, only around 1,000 particularly vulnerable people have so far been able to enter Germany through the BAP. The coalition agreement and the admission order promised up to 1,000 people per month during the legislative period. This legislative period will now come to an end in a short time. What would it mean if the number remained at around 1,000 people?

the admission of around 2,500 people who have already been granted admission and some of whom have been waiting for visas in Islamabad for many months would be in danger. These people, who have given up everything and put all their trust in Germany, would face deportation to Afghanistan. However, many of these people openly declare that they would rather commit suicide than return to Afghanistan.

the approximately 17,000 people who have already been preselected and contacted by the BAP selection committee but have not yet received a confirmation of admission and who have so far remained in Afghanistan in uncertainty and danger would be left in the lurch

several thousand more applications in the BAP, including numerous applications for people at risk, including courageous and extremely vulnerable women, would remain stuck in the federal government's application system without being examined.

In a joint statement dated December 4, 2024, 26 German and international NGOs, including our association, therefore called for the issuing of further confirmations of admission, speedy exit procedures and the maintenance of support structures, transparent information on the continuation of the program and the maintenance and expansion of safe access routes for particularly vulnerable people from Afghanistan

Notes:

4.12.24 Appell von 26 NGOs für die Fortsetzung des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan (DE / EN, PDF) It cannot be that the Federal Reception Programme (BAP) ends with the admission of around 3,000 people, although the target according to the admission order is up to 36,000 people.

7.12.24 Die Tageszeitung: Aufnahmeprogramm für Afghanistan. Scheitern, Schande oder letzte Rettung

5.12.24 NDR Info: Wer verantwortete 2021 den chaotischen Abzug aus Afghanistan?

01.11.2024 Joint statement of Afghanistan women's protest movements: Please don't forget Afghanistan! Don‘t forget the human rights! Statement from Afghan women's rights organizations on the German federal admission program in Afghanistan (PDF)

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