Gemeinsames Statement anlässlich 2 Jahre Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan(BAP)

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move on – menschen.rechte Tübingen e.V.
Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V.
Afghanische Frauen Verein Stuttgart e.V.

17.10.2024
Gemeinsames Statement anlässlich 2 Jahre Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP)

Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern: Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan weiterführen!
„Haushaltskollateralschaden“ vermeiden und der humanitären und menschenrechtlichen Verantwortung gerecht werden!
 
Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) sollte besonders gefährdeten Afghan*innen Schutz in Deutschland über einen geregelten Zufluchtsweg ermöglichen. Mit dem Programm verpflichtete sich die Bundesregierung zu ihrer humanitären Verantwortung gegenüber der afghanischen Zivilbevölkerung nach dem ungeordneten Abzug 2021. Genau zwei Jahre nach dem Beginn droht jedoch das vorzeitige Aus. Im Haushaltsentwurf für 2025 sind im Budget des Bundesinnenministeriums keine Mittel mehr für das BAP vorgesehen.

Zahlreiche zivilgesellschaftliche Verbände, darunter auch mehrere Organisationen aus Baden-Württemberg, fordern die Weiterführung und Weiterfinanzierung des BAP gemäß den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags der Ampelregierung – denn ein vorzeitiges Ende hätte fatale und nicht verantwortbare Konsequenzen für die Betroffenen. Baden-Württemberg gehörte zu den ersten Landesregierungen, die das BAP bereits kurz nach Beginn in Frage stellten und ein Ende forderten. Wir fordern die grünschwarze Landesregierung auf, diese Haltung zu überdenken und das BAP und die Aufnahme von gefährdeten und schutzbedürftigen Menschen über dieses Programm im Land zu unterstützen.

Laut Aufnahmeanordnung des Bundesinnenministeriums (BMI) sollten Aufnahmezusagen für monatlich bis zu 1.000 gefährdeten Afghan*innen erteilt werden. Mit einer angekündigten Laufzeit bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode war eine Aufnahme von bis zu 36.000 schutzbedürftigen Menschen geplant. Doch das BAP wurde bis jetzt nicht voll umfänglich umgesetzt: Statt den ursprünglich geplanten 1.000 Personen pro Monat sind bislang insgesamt lediglich 682 Personen nach Deutschland eingereist (Stand Oktober 2024). Seit Juli 2024 wurde die Bearbeitung tausender Anträge durch die zuständigen Behörden unterbrochen. Das betrifft etwa 17.000 Personen, die bereits von den Stellen der Bundesregierung vorausgewählt und kontaktiert wurden.
 
Seit August 2021 hat sich die Situation für die afghanische Zivilbevölkerung kontinuierlich verschlechtert. Insbesondere Frauen und Mädchen werden aufgrund ihres Geschlechts systematisch diskriminiert und sind von schwerwiegenden Verletzungen ihrer grundlegenden Freiheiten und Menschenrechte betroffen. Für diese Menschen ist das BAP die einzige Überlebensperspektive. Ein vorzeitiger und ungeordneter Abbruch des Programms hätte für alle diese Menschen fatale Konsequenzen.
Mit dem BAP getätigte Investitionen in die Umsetzung von Aufnahmeprogrammen wie der Aufbau der Koordinierungsstelle würden einfach abgewürgt werden. Mit einem Abbruch des Programms würde die Bundesregierung letztlich weder ihrer humanitären Verantwortung noch einer feministischen Außenpolitik gerecht zu werden und den gegenüber der Europäischen Union gemachten Zusagen für humanitäre Aufnahmen in 2025 zuwider handeln.

Für die am BAP mitwirkenden zivilgesellschaftlichen Organisationen (ca. 60 NGOs und Dachverbände) würde der Abbruch des Programms einen herben Vertrauensbruch darstellen. Sie haben durch ihre – zum größten Teil ehrenamtliche – Mitwirkung gezeigt, dass eine Aufnahmebereitschaft in der Gesellschaft vorhanden ist. Ihnen liegen zudem weiterhin zahlreiche Anfragen von besonders gefährdeten Menschen vor und jede Woche kommen neue  Hilferufe von bedrohten Menschen, insbesondere Frauen und queeren Personen aus Afghanistan hinzu: Obwohl es ein offizielles Versprechen bis mindestens zum Ende der Legislaturperiode gibt, könnten keine neuen Schutzanträge für das Programm mehr gestellt werden.

Zivilgesellschaftliche und Menschenrechtsorganisationen appellieren an die Bundesregierung sowie die Mitglieder des Bundestags:  
1. das BAP wie geplant mindestens bis Ende der Legislaturperiode vollumfänglich weiterzufinanzieren. 
2. das gesteckte Ziel der Aufnahme von bis zu 1.000 gefährdeten Personen im Monat - also insgesamt bis zu 36.000 Personen in der gesamten Laufzeit - weiterzuverfolgen und umzusetzen.
3. die Auswahlrunden, die Bearbeitung der Anträge, die Visumverfahren und die Umsetzung der Ausreisen umgehend fortzusetzen

"Es darf nicht geschehen, dass ein so wichtiges Menschenrechtsprogramm auf dem Altar der Migrationsdebatte, des Rechtsrucks und der "Zeitenwende" geopfert wird", (Andreas Linder, Geschäftsführer des Vereins move on Tübingen und aktiv im Afghanistan-Hilfsprojekt „save our families“)

„Das Aufnahmeprogramm ist die einzige Hoffnung für uns afghanische Frauen. Sie sollten die afghanischen Frauen im Kampf gegen die gender apartheid nicht allein lassen und die Taliban hart sanktionieren.“ (Aktivistin des Afghanistan Women Movement for Justice)

Hinweise:

17.10.2024 Forderungspapier zur aktuellen Situation und notwendigen Weiterfinanzierung des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan (BAP) für das parlamentarische Frühstück der Bundestagsfraktionen

03.10.24 move on – menschen,rechte Tübingen e.V.: welcome solidarity! Bitte um Hilfe für verfolgte afghanische Frauen

27.08.2024: Offene Briefe von Meldestellen und andere Organisationen an Olaf Scholz, Nancy Faeser und Annalena Baerbock (PDF)

18.07.2024: Pressemitteilung move on Tübingen: Menschenrechte sind "not for sale" (PDF)

15.08.2024: Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan retten. Bedrohte afghanische Menschenrechtler*innen dürfen nicht ihrem Schicksal überlassen werden. (PDF) Das Bundesaufnahmeprogramm und weitere Aufnahmemöglichkeiten müssen fortgesetzt, beschleunigt und ausgeweitet werden. Kapazitäten für zivilgesellschaftliche Unterstützung müssen ausgebaut werden. Gemeinsame Erklärung anläßlich 3 Jahre Taliban-Regime von 50 Organisationen, darunter move on, initiiert von der Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.)

15.08.2024 Schwäbisches Tagblatt Tübingen (Sabine Lohr): Ein Programm der Hoffnung. Die Tübinger Organisation „move on“ stellt Aufnahmeanträge für gefährdete Afghanen. Doch das könnte bald nicht mehr möglich sein. (PDF)

15.08.2024: Taz (Frederik Eikmanns): Afghanistan-Aufnahmeprogramm: Ampel spart an Humanität. Die Bundesregierung will die Aufnahme von gefährdeten Af­gha­n*in­nen abwickeln. Am Jahrestag des Abzugs äußern NGOs scharfe Kritik an den Plänen.

15.8.24: Taz (Thomas Ruttig): Kahlschlag bei der Afghanistan-Politik: Der Afghanistan-Ausverkauf. Zum dritten Jahrestag der Taliban-Machtübernahme wickelt die Ampel wichtige Institutionen ihrer Afghanistan-Politik ab – und kapituliert vor der Rechten.

14.08.2024 Deutsches Institut für Menschenrechte: Weiterführung des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan dringend nötig

12.08.24 Reporter ohne Grenzen: Afghanistan drei Jahre unter den Taliban: Bundesregierung lässt Journalisten im Stich (Analyse des BAP: "Nach uns die Sintflut")

06.08.2024 International Rescue Committee Deutschland (6.8.2024): Faktencheck Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan

17.07.2024 / 15.8.24:  Gemeinsames Statement von Organisationen der Zivilgesellschaft, darunter Meldestellen im Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, zu den Kürzungsplänen der Regierung (PDF)

 

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move on – menschen.rechte Tübingen e.V.
Flüchtlingsrat Baden-Württemberg e.V.
Afghanische Frauen Verein Stuttgart e.V.

17.10.2024

Joint statement on the occasion of 2 years of the Federal Reception Program in Afghanistan (Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, BAP)

Civil society organizations demand: Continue the Federal Reception Program in Afghanistan!
Avoid "budget collateral damage" and live up to humanitarian and human rights responsibilities!

The Federal Reception Program in Afghanistan (BAP) was intended to provide particularly vulnerable Afghans with protection in Germany via a regulated refugee route. With the program, the federal government committed itself to its humanitarian responsibility towards the Afghan civilian population after the disorderly withdrawal in 2021. However, exactly two years after it began, it is threatened with premature termination. In the draft budget for 2025, no more funds are earmarked for the BAP in the Federal Ministry of the Interior's budget.

Numerous civil society associations, including several organizations from Baden-Württemberg, are calling for the BAP to be continued and financed in accordance with the agreements in the traffic light government's coalition agreement - because a premature end would have fatal and irresponsible consequences for those affected. Baden-Württemberg was one of the first state governments to question the BAP shortly after it began and demanded an end. We call on the Green-Black state government to reconsider this stance and to support the BAP and the admission of vulnerable and vulnerable people through this program in the state.

According to the admission order of the Federal Ministry of the Interior (BMI), admission commitments should be made for up to 1,000 vulnerable Afghans per month. With an announced term until the end of the current legislative period, it was planned to admit up to 36,000 vulnerable people. But the BAP has not yet been fully implemented: instead of the originally planned 1,000 people per month, only 682 people have entered Germany so far (as of October 2024). Since July 2024, the processing of thousands of applications by the responsible authorities has been interrupted. This affects around 17,000 people who have already been pre-selected and contacted by the federal government agencies.

Since August 2021, the situation for the Afghan civilian population has continued to deteriorate. Women and girls in particular are systematically discriminated against on the basis of their gender and are affected by serious violations of their fundamental freedoms and human rights. For these people, the BAP is the only prospect of survival. A premature and disorderly termination of the program would have fatal consequences for all of these people.
Investments made with the BAP in the implementation of admission programs, such as the establishment of the coordination office, would simply be strangled. By terminating the program, the German government would ultimately fail to live up to its humanitarian responsibility or a feminist foreign policy and would be acting contrary to the commitments made to the European Union for humanitarian admissions in 2025.

For the civil society organizations involved in the BAP (around 60 NGOs and umbrella organizations), the termination of the program would represent a serious breach of trust. Through their - mostly voluntary - participation, they have shown that there is a willingness in society to accept refugees. They also continue to receive numerous requests from particularly vulnerable people and every week new calls for help come in from threatened people, especially women and queer people from Afghanistan: Although there is an official promise until at least the end of the legislative period, no new applications for protection for the program could be submitted.

Civil society and human rights organizations appeal to the federal government and members of the Bundestag:
1. to continue to fully finance the BAP as planned at least until the end of the legislative period.
2. to continue to pursue and implement the set goal of accepting up to 1,000 vulnerable people per month - i.e. a total of up to 36,000 people over the entire term.
3. to continue the selection rounds, the processing of applications, the visa procedures and the implementation of departures immediately

"It must not happen that such an important human rights program is sacrificed on the altar of the migration debate, the shift to the right and the "Zeitenwende"" (Andreas Linder, managing director of the move on Tübingen association and active in the Afghanistan aid project "save our families")

"The admission program is the only hope for us Afghan women. You should not leave Afghan women alone in the fight against gender apartheid and should impose harsh sanctions on the Taliban." (Activist of the Afghanistan Women Movement for Justice)

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