Endlich stellt auch der Landkreis Tübingen Reiseausweise für afghanische Staatsbürger / Geflüchtete aus
Die Ausländerbehörde des Landkreises Tübingen ändert die bisherige Ablehnungspraxis und stellt seit Anfang August "Reiseausweise für Ausländer" für afghanische Staatsbürger / Geflüchtete aus, die im Landkreis Tübingen leben und seit der Machtübernahme durch die Taliban in 2021 keine Reisedokumente mehr von den zum Teil geschlossenen afghanischen Auslandsvertretungen mehr bekommen konnten. Kurz vor einem Plan.B-Pressegespräch teilte die Ausländerbehörde des Landratsamts mit, dass es eine neue Anweisung "von oben" gäbe und in Zukunft Reiseausweise ausgestellt werden können. Die bisherige Praxis, dass Reiseausweise nur ausgestellt werden, wenn ein "zwingender Grund" für eine Reise vorliegt und nachgewiesen wird, wird damit aufgegeben. Plan.B wird in der Folgezeit alle afghanischen Staatsbürger:innen im Zuständigkeitsbereich des Landkreises, denen bisher die Ausstellung eines Passersatzes verwehrt wurde, dabei unterstützen, einen solchen zu beantragen und zu erhalten. Die Beendigung dieser von fast allen anderen Ausländerbehörden in Baden-Württemberg abweichenden Praxis war aus Sicht der Beratungsstelle Plan.B längst überfällig.
Medienbericht: 13.08.2024 Schwäbisches Tagblatt: Jafari darf nun doch reisen. Geflüchtete Das Ausländeramt des Landkreises verweigerte Afghanen Reiseausweise. Bis vergangene Woche.(PDF)
Mehr Informationen: Seit der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan im August 2021 konnten in Deutschland lebende afghanische Staatsbürger:innen / Geflüchtete bei den noch vorhandenen Auslandsvertretungen keine Personalausweise (Tazkira) oder Reisepässe mehr erhalten. Das Aufenthaltsrecht macht in solchen Fällen möglich, dass Passersatz (sog. Reiseausweise für Ausländer, vgl. § 5 ff. Aufenthaltsverordnung) ausgestellt werden. Von dieser Möglichkeit hat die Ausländerbehörde des Landratsamts Tübingen jedoch keinen Gebrauch gemacht. Wenn Anträge auf Ausstellung eines Reiseausweises gestellt wurden, wurden diese in der Regel mit der Begründung abgelehnt, dass mit der Ausstellung eines Passersatzes in die Passhoheit eines anderen Staats eingegriffen werde (in diesem Fall eines Terrorregimes) und dass das öffentliche Interesse (= Verweigerung der Reisemöglichkeit?) immer mit dem Interesse des Einzelnen auf Ausstellung eines Passes abzuwägen sei. Das entsprechende Gesetz sieht allerdings vor, dass die Ausstellung eines Passersatzes nur dann zu verweigern ist, wenn es Anhaltspunkte für strafbaren Missbrauch mit dem ausgestellten Pass gibt.
Nur bei Vorliegen eines "zwingenden Grundes" stellte das Landratsamt bei Personen mit Abschiebungsverbot Reiseausweise aus, wobei als zwingender Grund lediglich etwa eine sehr schwere Krankheit eines im Ausland lebenden Angehörigen anerkannt wurde und dafür entsprechende Nachweise vorgelegt werden mussten. Die Pässe wurden meist nur für 6 Monate ausgestellt und nach der Reise mussten sie wieder abgegeben werden.
Die Sachlage, dass es afghanischen Geflüchteten seit der Machtübernahme durch die Taliban nicht möglich und damit nicht zumutbar ist, einen afghanischen Reisepass von den zuständigen Auslandsvertretungen zu erhalten, ist vom Bundesinnenministerium bereits im September 2022 eindeutig anerkannt und an die zuständigen Behörden kommuniziert worden, dass im Bedarfsfall Passersatz auszustellen sei. Dass die Ausländerbehörde des LRA Tübingen auch in der Folgezeit die Ausstellung von Reiseausweisen verweigerte, war aus Sicht von Plan.B allein migrationspolitisch motiviert. Es wurde der von der Sicht der Bundesregierung abweichenden konservativen Linie des Ministeriums für Justiz und Migration Baden-Württemberg gefolgt, während die allermeisten anderen Ausländerbehörden in BaWü längst Reiseausweise ausstellten und keine "zwingenden Gründe" verlangten.