Beratungsstellen protestieren gegen Abschiebung von Geflüchteten aus Arbeit und Ausbildung

Bei  einem Pressegespräch am 20. September informierten Vertreter:innen mehrerer Tübinger Flüchtlingsberatungsstellen sowie Arbeitgeber:innen von Betroffenen über Abschiebungen bzw. Abschiebungsversuche in den vergangenen Wochen gegen Personen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, die aber wegen kleinerer Vergehen keines der bestehenden Bleiberechte erhalten konnten. Das Schwäbische Tagblatt berichtete am 22.9.23.

Einladung zum Pressegespräch

acli e.V. / Arbeitskreis Asyl Südstadt / Asylzentrum Tübingen e.V. / Fluchtpunkte Tübingen e.V. / Flüchtlingsbeauftragter des kath. Dekanats Rottenburg / move on - menschen.rechte Tübingen e.V. / Beratungsstelle Plan.B

Abschiebung von Geflüchteten aus Arbeit und Ausbildung
Beratungsstellen und Arbeitgeber protestieren

Termin:     Mittwoch, 20.9.2023, 17.00 Uhr
Ort:         Gemeindehaus St. Michael, Hechinger Str. 45, 72072 Tübingen

Am 30. August wurde der 23-jährige Gambier A. an seinem Arbeitsplatz in einem Altenheim von der Polizei zum Zweck der Abschiebung abgeholt. Wegen einer einmaligen handgreiflichen Streiterei mit einem Mitschüler in der Berufsschule wurde A. im Oktober 2022 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. A. wurde daraufhin die Ausbildungsduldung entzogen, und er bekam auch kein Chancenaufenthaltsrecht, denn dafür hätten maximal 50 Tagessätze noch als vernachlässigbar gegolten. A. wäre in vier Wochen mit seiner Ausbildung zum Altenpflegehelfer fertig gewesen. Bekanntlich ein absoluter Mangelberuf.

Dies ist eines von mehreren Beispielen von Abschiebungen im Kreis Tübingen in den vergangenen Wochen. Aus ganz Baden-Württemberg werden derartige Fälle berichtet. Ganz offensichtlich fokussiert sich das für Asyl und Aufenthalt(sbeendigungen) zuständige Justizministerium aktuell auf Geflüchtete aus Gambia, die aufgrund von relativ kleinen Vergehen in der Vergangenheit keine der aktuell geltenden Bleiberechtsregelungen in Anspruch nehmen können. Oder der bestehende Ermessensspielraum wird zum Nachteil der Betroffenen ausgelegt.

So etwa bei dem 33-jährigen M., für den im Januar 2023 ein Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Aufenthaltsgesetz gestellt wurde, der jedoch von der Tübinger Ausländerbehörde bis heute nicht bearbeitet wurde. M. absolviert im dritten Lehrjahr eine Ausbildung als Lagerlogistiker bei einem Tübinger Unternehmen. Am 22. August wurde er aus seiner Tübinger Wohnung abgeholt. Abschiebungshaft wurde beantragt. M. wurde in der Vergangenheit wegen Handels mit Marihuana verurteilt – Delikte, die die Bundesregierung mit dem geplanten Cannabis-Gesetz in Zukunft sogar rückwirkend straffrei stellen will.

Über diese und weitere Beispiele werden Ihnen bei dem Termin Vertreter:innen der einladenden Organisationen sowie Arbeitgeber:innen aus der Region ausführlich berichten.

Derzeit werden zunehmend Menschen als „gefährliche Ausländer“ etikettiert und abgeschoben, die eine gute Sozialprognose haben, deren Vergehen zum Teil schon lange zurückliegt, die sich inzwischen sehr gut integriert haben – und die als Arbeitskräfte und Fachkräfte dringend gebraucht werden. Fakt ist: In der Kranken- und Altenpflege ist bereits heute jede Fachkraft, jede:r Pflegehelfer:in und jede:r Azubi, der:die abgeschoben wird, ein nicht zu kompensierender Verlust. Der prognostizierte Fachkräftemangel im Pflegebereich wird im Jahr 2030 bundesweit bei ca. 400.000 nicht besetzten Stellen liegen. Ebenso dramatisch ist die Entwicklung im Handwerk, in der Industrie und im Dienstleistungssektor – der Arbeitskräftemangel trifft auch kleine und mittelständischen Betriebe in unserer Region.

Während viele Arbeitgeber:innen inzwischen die Zeichen der Zeit erkannt haben und zunehmend auch Menschen mit vermeintlich schlechterer Bleibeperspektive erfolgreich ausbilden und beschäftigen, agieren Behörden und verantwortliche Politiker:innen, speziell auch in „The Länd“, leider noch immer nach dem Motto: „Abschiebung first, Zukunft second“.

Gemeinsam mit Betroffenen und Arbeitgeber:innen aus der Region wollen wir bei diesem Pressegespräch die Frage stellen, ob diese Politik der Aufenthaltsbeendigung tatsächlich noch das „öffentliche Interesse“ widerspiegelt, das bisher stets bei solchen Abschiebungen angeführt wird.

Pressekontakt: Plan.B // info@planb.social // Tel. 07071-966994-0)

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