EuGH: Afghanische Frauen haben Anspruch auf Flüchtlingsschutz

Der EuGH kam in einer Entscheidung vom 4.10.2024 zu der Auffassung, dass die umfangreichen Diskriminierungen und Repressalien des misogynen Taliban-Regimes in Afghanistan gegen Frauen bereits für sich genommen als Verfolgung im Sinne des internationalen Flüchtlingsrechts einzustufen sind. Afghanischen Frauen, die einen Asylantrag stellen, stehe daher der Flüchtlingsstatus zu, ohne dass spezifische Verfolgungsgründe nachgewiesen werden müssen. Mehr Informationen:

04.10.2024 Informationsverbund Asyl und Migration: EuGH: Diskriminierende Maßnahmen gegen Frauen in Afghanistan sind als Verfolgung zu bewerten (mit ausführlichem Kommentar und Link zum Urteil)

04.10.2024, tagesschau.de: EuGH stärkt Asylrecht von afghanischen Frauen (mit Filmbericht)
 

Kleiner Kommentar:
Dies ist selbstverständlich eine gute Entscheidung des höchsten Gerichts der Europäischen Union. Das Problem ist jedoch, dass eine afghanische Frau diesen Schutz nur dann erhalten kann, wenn es ihr gelingt, illegal in die Europäische Union einzureisen. Die meisten der erniedrigten und verfolgten Frauen haben keine Möglichkeit, Afghanistan zu verlassen. Wer es doch schafft, ist mit einem gefährlichen Fluchtweg konfrontiert. An der Grenze der Europäischen Union angekommen wird die Frau zunächst als "illegale Migrantin" behandelt werden und wird mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von illegalen Pushbacks betroffen sein. Schafft sie es, illegal in die Europäische Union einzureisen und einen Asylantrag zu stellen, wird sie mit der Dublin-Verordnung oder anderen Anti-Flüchtlingsgesetzen konfrontiert. Bevor sie also Flüchtlingsschutz erhalten kann, wird sie den Zynismus und die Gewalt der Festung Europa durchstehen müssen.

Das kann wie bei Sahra S. eine lange Zeit dauern. Nach der gefährlichen Flucht, bei der sie auch vom schweren Erdbeben in der Türkei betroffen war, wurde der Asylantrag nach gelungener Einreise in Deutschland prompt als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet. Es musste eine Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht werden, obwohl Italien seit Ende 2022 niemanden mehr aus Deutschland aufnimmt und alle das wissen. Das BAMF hätte gerade bei einer afghanischen Frau, der mutmaßlich der Flüchtlingsschutz zusteht, den sog. Selbsteintritt nach Art. 17 der Dublin-III-Verordnung erklären können und somit hätte die Frau schon längst den Flüchtlingsschutz haben können. Aber das wird das BAMF auch in Zukunft wahrscheinlich in keinem einzigen Fall machen. Die Anti-Asyl-Einheizer von CDU&Co. haben in der aktuellen Asyldebatte entdeckt, dass man auf Basis der geltenden Dublin-Verordnung bis zur Einführung der GEAS-Reform noch viel mehr Geflüchtete als bisher wieder loswerden könnte. An diesem St. Floriansprinzip wird auch dieses Urteil nichts ändern. Und so wird eine afghanische Frau, die die Kriterien dieses Urteils als politische aktive und in der Friedensarbeit und sozialen Hilfsprojekten tätige Frau weit übererfüllt, auch in Zukunft in die Mühlen der Asylbürokratie geraten. Nur mit Hilfe von guten Anwält:innen und Beratungsstellen werden diese Menschen dann schließlich doch den ihnen zustenden Schutz erhalten. Bericht über Sahra S. siehe hier: Kleiner Erfolg: Dublin überstanden!

Als Meldestelle im Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) stellen wir Anträge zur Aufnahme von besonders gefährdeten und exponierten Menschen aus Afghanistan. Unter diesen Menschen sind zahlreiche besonders engagierte und deswegen gefährdete und verfolgte Frauen. Im Zuge der aktuellen "Asyldebatte" in Deutschland, in deren Rahmen diverse politische Parteien, angeführt von der CDU, auch die Einstellung aller freiwilligen Aufnahmeprogramme fordern, besteht auch die reale Gefahr, dass das BAP vorzeitig beendet wird. Dies hätte zur Konsequenz, dass auch sehr viele besonders gefährdete Frauen ihrem Schicksal überlassen und den Taliban ausgeliefert werden. Wir kämpfen dafür, dass dies nicht geschieht und dass solche Frauen eine humanitäre Aufnahme in Deutschland erhalten.

Mehr Informationen zur neuen Spenden- und Hilfsaktion im Rahmen des Projekts "save our families" siehe hier: welcome solidarity! Bitte um Hilfe für verfolgte afghanische Frauen

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