Ausländerbehörde Stadt Tübingen: Allgemeinverfügung zur "Fiktionswirkung" rechtswidrig und aufgehoben

Am 17. Januar erließ die Ausländerbehörde der Stadt Tübingen eine "Allgemeinverfügung zur Anordnung der Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 S. 1 und 3 AufenthG". Damit sollte geregelt werden, dass die befristete Aufenthaltserlaubnis im Fall des Ablaufs fortgilt, ohne dass von der Ausländerbehörde eine sog. Fiktionsbescheinigung ausgestellt werden muss. Diese "Allgemeinverfügung" wurde jedoch vor Kurzem vom Regierungspräsidium Tübingen für rechtswidrig erklärt und gilt seit 26. Mai nicht mehr.

Die "Allgemeinverfügung" war gut für die Ausländerbehörde, denn es mussten dann keine Anträge auf Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen mehr bearbeitet werden und keine sog. Fiktionsbescheinigungen mehr ausgestellt werden (Übergangspapier bis der neue Ausweis eintrifft). Diese Regelung war jedoch nicht gut für die Betroffenen, denn sie hatten bei Arbeitgebern, Leistungsträgern oder auf Reisen keinen Nachweis mehr, dass sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind. Mitunter drohten Kündigungen, Leistungsentzug oder wurden Reisen verunmöglicht. Die Stadt sah dies anders und verwies darauf, dass die Allgemeinverfügung der Nachweis für den bestehenden Aufenthaltstitel sei. Hinweise auch von Fachjuristen noch vor der Einführung, dass eine solche Regelung rechtswidrig sei und grundsätzlich ein Anspruch auf Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung bestehe, wurden ignoriert.

In einer E-Mail vom 23. Mai erklärte die Leitung der Ausländerbehörde nun, dass die "Allgemeinverfügung" ab 26. Mai aufgehoben sei. Es wurde mitgeteilt, dass Personen, deren Aufenthaltstitel ablaufe, per E-Mail die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels beantragen können und eine automatisierte Antwort-E-Mail bereits die "Fiktionswirkung" (Weitergeltung des Aufenthaltstitels) auslöse. DIe Ausländerbehörde stelle weiterhin auf Wunsch Fiktionsbescheinigungen aus, allerdings sei hierfür ein Termin zur persönlichen Vorsprache nötig. Die Behörde räumt ein, dass zeitnahe Termine nicht möglich seien. Diese Erfahrung müssen die Betroffenen und ihre Unterstützer*innen täglich machen. Über das Terminportal der Stadt Tübingen sind in der Regel keine freien Termine verfügbar. Laut Leitung der Ausländerbehörde werden an Werktagen zwischen 7 und 8 Uhr einzelne freie Termine eingestellt. Die Chance, einen Termin zu erhalten, scheint jedoch weiterhin nicht viel größer als ein Lottogewinn zu sein.

Mit der Aufhebung der "Allgemeinverfügung" ist eine von sieben Forderungen des AK Ausländerbehörde erfüllt. Der AK Ausländerbehörde ist ein Bündnis aus mehreren Tübinger Flüchtlings- und Migrationsberatungsstellen. Gefordert wird unter anderem, dass die Stadtverwaltung und der Gemeinderat die Probleme bei der Ausländerbehörde wichtiger nehmen soll und dass die Behörde so organisiert werden muss, dass die Dauer bis zum Erhalt eines Termins deutlich kürzer wird.

 

siehe auch:
Schwäbisches Tagblatt 21.12.2022: Wartezeiten im Ausländeramt (Positionierung des Integrationsrats)
Schwäbisches Tagblatt 11.02.2023: Um die Ausländerbehörde zu entlasten, gelten abgelaufene Aufenthaltstitel in Tübingen nun einfach weiter. Ein Problem, sagen Flüchtlingsberater

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