Bleiberecht im Koalitionsvertrag: Ernsthaftes Vorhaben oder nur heiße Luft?

"Für diejenigen, die viele Jahre im Land, nicht straffällig geworden und gut integriert sind, werden wir daher alle Möglichkeiten im Land nutzen, um ein Bleiberecht zu ermöglichen." (Koalitionsvertrag S.85)

Zu den vielen im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung vom 5.Mai 2021 niedergeschriebenen Vorhaben gehört auch das Ziel, "geduldeten Menschen zu einem Bleiberecht zu verhelfen" (Koalitionsvertrag S.85). Das jetzt für die Bereiche Migration und Asyl zuständige Ministerium der Justiz und für Migration hat auch bereits Musterschreiben an Betroffene und Ausländerbehörden herausgegeben, in denen über Bleibemöglichkeiten informiert wird.

Allerdings werden diese Schreiben in alter Manier als "Neujustierung der Aufenthaltsbeendigung" bezeichnet und beginnen mit dem Hinweis auf die Ausreisepflicht und die mögliche Abschiebung. Und auch die sachliche Information zum Beispiel zur Beschäftigungsduldung geht kaum über eine Kurzdarstellung des gesetzlichen Rahmens hinaus. Der politische Wille ist zu begrüßen. Sämtliche bisherigen Erfahrungen lassen jedoch nicht erwarten, dass künftig die Ausländerbehörden die nötige Information und Beratung für die Betroffenen leisten. Hierfür braucht es weiterhin unabhängige Beratungsstellen bei freien Trägern, Anwält*innen oder ehrenamtlich Engagierte, die die Betroffenen solidarisch informieren, beraten und unterstützen, damit ein Bleiberecht erreicht werden kann. An dieser Stelle verweisen wir gerne z.B. auf unsere Arbeitshilfe "Beschäftigungsduldung und Härtefallantrag".

Ebenfalls bereits teilweise umgesetzt ist das im Koalitionsvertrag vermerkte Vorhaben, Erlasse und Anwendungshinweise im aufenthaltsrechtlichen Bereich zu veröffentlichen. Zu wichtigen Bleiberechtsregelungen wie dem § 25 b Aufenthaltgesetz existieren jedoch keine Erlasse. Andere Bundesländer haben dies längst getan. Zur Härtefallkommission und der Möglichkeit der Stellung von Härtefallanträgen gibt es zwar ein neues Merkblatt. Es fehlen aber detaillierte Informationen wie sie bisher beim Innenministerium eingestellt waren.

Zu dem im Koalitionsvertrag beschriebenen Vorhaben, dass auf interministerieller Ebene eine "Clearingstelle Bleibeperspektiven für gut Integrierte" eingerichtet werden soll, scheint bisher nichts geschehen und auch zumindest vorläufig keine Umsetzung beabsichtigt zu sein.

"Wir etablieren für die Geflüchteten, die auf die Stadt- und Landkreise sowie Gemeinden verteilt sind, eine qualitativ hochwertige, unabhängige Flüchtlingsberatung bzw. Flüchtlingssozialarbeit auch durch freie, gemeinnützige Träger." (Koalitionsvertrag S.85)

Dasselbe gilt für die Ankündigung im Koalitionsvertrag, unabhängige Flüchtlingsberatungsstellen auf der Ebene der Stadt- und Landkreise zu "etablieren". Der Koalitionsvertrag suggeriert hier eine politisch gewollte, auch finanzielle Förderung. Bislang scheint jedoch in diese Richtung noch überhaupt nichts unternommen worden zu sein. Die meisten Beratungsstellen sind eigenfinanziert, über andere Stellen gefördert oder arbeiten ehrenamtlich.

Last but not least: An den harten Anforderungen, die an Betroffene etwa bei der Identitätsklärung und Passbeschaffung gestellt werden, hat sich überhaupt nichts geändert. Teilweise sind sogar verschärfte Umgehensweisen zu beobachten. Dabei gäbe es Spielräume im gegebenen gesetzlichen Rahmen, die einfach nur genutzt werden müssten. Während im Koalitionsvertrag davon die Rede ist, dass es auf die Bereitschaft zur Mitwirkung ankomme, wird in der Praxis bereits bei geringsten Versäumnissen im Prozess der Erfüllung der Passpflicht negativ sanktioniert.

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