Weihnachten 2022: Schon wieder eine Abschiebung eines gut integrierten Flüchtlings aus Tübingen

Schon wieder wurde ein Flüchtling, der in einem festen Arbeitsverhältnis stand, aus Tübingen abgeschoben. Noch kurz vor Weihnachten, in der Nacht zum 21. Dezember, wurde der Nigerianer E. von der Polizei abgeholt und an den Flughafen in Frankfurt / Main gebracht. Morgens um 8.20 Uhr startete das Flugzeug nach Nigeria. Die Abschiebung war so organisiert, dass eine rechtliche Intervention zeitlich nicht mehr möglich war. Der noch in der Nacht eingereichte Rechtsschutzantrag konnte vom Verwaltungsgericht Sigmaringen nicht mehr bearbeitet werden. Die zuständige Richterin erklärte jedoch danach, dass sie den Antrag auch wahrscheinlich hätte ablehnen müssen. Aus Angst vor der Abschiebung flüchtete E. im Jahr 2020 zusammen mit seiner Frau und deren zwei Kindern nach Frankreich, wo sie einige Monate blieben. Dieser Verstoß gegen die guten Sitten des Aufenthaltsrechts dürfte ausschlaggebend gewesen sein, dass Herr E. auf der Liste der Abschiebebehörden stand.
Nach der Rückkehr nach Deutschland Mitte 2020 verhielt sich E., der seitdem von PlanB sehr intensiv beraten und unterstützt wurde, allerdings vorbildlich. Er erfüllte seine Mitwirkungspflichten, indem er einen Nationalpass organisierte. Nachdem er aufgrunddessen die Beschäftigungserlaubnis erhielt, arbeitete er seit einiger Zeit Vollzeit bei einem Sportartikelhersteller in Tübingen. Der Arbeitgeber war am Morgen des 22.12. wie vor den Kopf gestoßen, denn er verlor über Nacht einen guten Mitarbeiter.

Aus Sicht von PlanB war diese Abschiebung zwar rechtlich nicht illegal, denn E. war "vollziehbar ausreisepflichtig". Die Abschiebung war aber auch überhaupt nicht zwingend notwendig. Herr E. hätte weiter geduldet werden können, weil er in der Zwischenzeit letztlich alles richtig gemacht hat, straffrei war und gearbeitet hat. Zum Zeitpunkt der Abschiebung erfüllte er zwar nicht alle Voraussetzungen des soeben in Kraft getretenen Chancen-Aufenthaltsrechts, mit der Zeit hätte er sich aber eine Bleibeperspektive erarbeiten können. Insofern gehört diese Abschiebung zu den leider zahlreichen Fällen der letzten Monate, bei denen die Behörden mit ihrer Vorgehensweise das ebenfalls im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angebliche öffentliche Interesse an einer "Abschiebungsoffensive" vollziehen durften.  Für PlanB ist es ein Fall, bei dem die Abschiebung leider nicht verhindert werden konnte. In vielen Fällen gelingt es jedoch, durch gute Beratung und Unterstützung und die richtigen Schritte zur richtigen Zeit die Abschiebung zu verhindern und ein gesichertes Bleiberecht zu erreichen.
 
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten (nachträglich) und ein engagiertes neues Jahr!
 
Bericht im Schwäbischen Tagblatt Tübingen am 3.1.23

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