Spontanes Statement zu "München": Das Geschrei nach Abschiebungen nach Afghanistan ist unverantwortlich und wird nichts helfen
Leider gab es schon wieder einen von einem afghanischen Staatsbürger verübten gewalttätigen Anschlag. Wir können nur hoffen, dass dies nicht zur pauschalen Verurteilung von Afghan:innen in Deutschland führt (es leben 400.000 afghanische Staatsbürger:innen in Deutschland) und dass die Reaktionen besonnen sind. Falsch ist aus unserer Sicht, dass wie jetzt auch im Wahlkampf Probleme der Sicherheit durch gewalttätige oder terroristische Akte ständig mit dem Asylrecht vermengt werden. Es ist die falsche Konsequenz aus solchen tragischen Ereignissen, das Menschenrecht auf Asyl in Frage zu stellen und die Grenzen dicht machen zu wollen (was faktisch sowieso nicht geht).
Wer zu einfache Antworten auf komplexe Problematiken gibt, wird zwar Wählerstimmen einsammeln können, aber kaum etwas zur Bearbeitung der Probleme beitragen. Und zur Zeit geht es leider vor allem ums Wählerstimmeneinsammeln. Nicht verwunderlich ist, dass die Taliban aus solchen Anschlägen bereits Honig saugen und die deutsche Regierung zur vertieften Kooperation mit dem Islamisten-Regime auffordern. Dies kann man etwa diesem Artikel aus der FAZ von heute entnehmen:
14.02.2025 Nach der Tat von München: Die Taliban sehen Abschiebungen als Chance
Aus unserer Sicht wäre jegliche politische Kooperation mit den Taliban der völlig falsche Weg und Verrat an den Menschenrechten derer, die von den Taliban verfolgt, gequält, ermordet oder in die Flucht getrieben werden. Als Konsequenz aus einem islamistischen Anschlag kann es nicht sinnvoll sein, dass in einen von Islamisten regierten Staat abgeschoben wird und dass dem Islamisten-Regime vielleicht auch noch eine Auslandsvertretung in Deutschland gegeben wird. Komplett wahnsinnig wird es jedoch, wenn Menschen, die Opfer dieses islamistischen Regimes sind, für so eine Tat bestraft werden. So plant die Bundesregierung offenbar, Flüge mit Personen aus Aufnahmeprogrammen für besonders gefährdete Afghan:innen auszusetzen, wie die Nachrichtenagentur dts heute meldet.
Wir setzen weiterhin auf eine gute Beratung und Begleitung von afghanischen (und anderen) männlichen Geflüchteten in Deutschland. Je besser und enger die Unterstützung, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann irgendeiner dieser jungen Männer sich nicht mehr beherrschen kann. Aber auszuschließen ist das selbstverständlich nicht. Ein relevantes Problem der Gegenwart im Vergleich zu "2015" ist aus unserer Sicht, dass immer weniger und faktisch zu wenige Menschen in der alltäglichen und direkten Unterstützungsarbeit für Geflüchtete engagiert sind - auch hier im Kreis Tübingen. Ganz wenige Menschen leisten hier ganz viel, aber insgesamt sind hier viel zu wenige Menschen praktisch tätig - und die staatlich bezahlten Sozialarbeiter:innen machen oft kaum mehr als Dienst und Urlaub nach Vorschrift.
Deswegen sind wir der Überzeugung, dass es in der aktuellen Situation notwendig ist, neue Anstrengungen zu unternehmen, damit wieder mehr Menschen außerhalb der staatlichen Strukturen aktiv in die praktische Flüchtlingsarbeit einsteigen. Das wird schwierig sein in einer Zeit, in der die politische Führungselite des Landes nur noch von Überforderung redet, die Grenzen schließen will und kein gutes Haar mehr am Asylrecht lässt. Es reicht aber jedenfalls nicht, ab und zu bei irgendeiner Kundgebung gegen Rechts kundzutun, dass man gegen Rechts ist.
Wir werden uns auch weiterhin für die Aufnahme von gefährdeten Menschen in Deutschland einsetzen, gerade auch aus Afghanistan. Und das ist ja, was die CDU eigentlich gut findet (wer wirklich verfolgt ist, soll Schutz bekommen, und da machen wir dann Kontingente, sagt immer wieder Thorsten Frei und wird nicht rot beim Lügen) dann aber doch in das Wahlprogramm schreibt, dass es keinerlei freiwillige Aufnahmeprogramme geben soll. Denn Deutschland ist ja so überfordert, dass es etwa beim Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan in drei Jahren Programm gerade mal gelungen ist, 1100 wirklich gefährdete Menschen aufzunehmen. Dabei ist leider vor allem gelungen, dass tausende wirklich gefährdete Menschen bislang jedenfalls keine Aufnahme bekommen haben. Diverse konservative Seilschaften aus Parteien, Ministerien und Sicherheitsorganen haben einen bedeutenden Anteil, dass aus diesem menschenrechtlichen Aufnahmeprogramm wenig geworden ist und dass es jetzt sang- und klanglos auslaufen soll. Wir werden uns aber weiter in diesem Bereich engagieren und verweisen an dieser Stelle auf den aktuellen Bericht des SWR über unser Engagement als Meldestelle im BAP und das Fallbeispiel der vier Frauen der Familie S. Wir werden unsere Arbeit in dieser Richtung fortsetzen, wenn uns das Geld nicht ausgeht und uns vor allem für die Aufnahme besonders gefährdeter Frauen einsetzen. Dazu werden in Kürze ausführliche Informationen über unser neues Projekt kommen.
13.02.2025 SWR: In der Heimat droht ihnen der Tod. Gefangen im Nirgendwo - gefährdete Afghaninnen warten auf ihre Einreise nach Deutschland
siehe auch:
13.02.2025 Bayerischer Flüchtlingsrat: Schock, Trauer und Betroffenheit | Warnung vor Instrumentalisierung für rassistische Hetze
, Deutschlandfunk: Interview mit Sebastian Fiedler, SPD, zu: Konsequenzen aus München-Anschlag
16.02.2025 tagesschau.de: Player: Konsequenzen aus dem Anschlag in München Neue Abschiebeflüge nach Afghanistan?
16.02.2025 regionalheute.de (dts): Bundesregierung streicht Flüge von Afghanen nach Deutschland