Romaday: Rassismus gegen Roma nimmt weiter zu

Zum internationalen Tag der Roma (8. April) dokumentieren wir die Pressemitteilung von Annette Groth, menschenrechtspolitische Sprecherin der Partei Die Linke, sowie die Pressemitteilung des Freiburger Forum Aktiv gegen Ausgrenzung. Wetten, dass die Pressemitteilungen in den deutschen Medien so gut wie nicht zitiert werden!

PRESSEMITTEILUNG, 07.04.17

MdB Annette Groth (DIE LINKE im Bundestag, Baden-Württemberg, Bodenseekreis)

Annette Groth zum morgigen Internationalen Tag der Roma 2017

BLEIBERECHT UND ABSCHIEBESTOPP FÜR ROMA

Anlässlich des internationalen Roma-Tages am 8. April erklärt Annette Groth, menschenrechtspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE:

„Nach dem Genozid an über 500.000 Roma während des Nationalsozialismus in Deutschland und Europa hat besonders Deutschland die historische Verpflichtung, jeglicher Form der Diskriminierung und Ausgrenzung gegen diese größte anerkannte, europäische Minderheit entgegenzutreten.

Viele Nachkommen der Überlebenden leben heute in Südosteuropa und sind dort massiver rassistischer Diskriminierung und Angriffen ausgesetzt. Sie leben in bitterer Armut und ohne Chance auf Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung. Im Zug des wiederaufflammenden Nationalismus und Rassismus setzte für viele Roma in den letzten Jahren ein neuer Vertreibungsdruck ein, der sie zur Flucht nach Mitteleuropa zwang.

In Deutschland angekommen, erfahren sie, dass ihre Herkunftsländer für sicher erklärt und damit sie  pauschal als ‚Wirtschafts- oder Armutsflüchtlinge‘ diskriminiert werden. Ihre Rechte  z.B. auf ein faires Asylverfahren mit Einzelfallprüfung werden massiv beschnitten und sie selber zu Flüchtlingen 2. Klasse, sprich ‚mit geringer Bleiberechtsperspektive‘, erklärt.

Ein Bleiberecht wird kategorisch verneint und seit Monaten werden massive Abschiebungen in die Westbalkanstaaten durchgeführt. Mit der Drohung, bei zwangsweiser Abschiebung das Recht auf Wiedereinreise über Jahre hinaus zu verlieren, wird zusätzlich der Druck zur ‚freiwilligen Ausreise‘ erhöht.“

Zur Situation in Baden-Württemberg erklärt die Abgeordnete aus dem Bodenseekreis weiter:

„Im Windschatten der Diskussion um die Sicherheitslage in Afghanistan und relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit ist auch Baden-Württemberg beim Thema ‚Abschiebungen in den Westbalkan‘ ganz vorne mit dabei: Für das erste Quartal 2017 wurden nach Angaben unabhängiger Beobachter mindestens 740 Personen, in der Mehrzahl Roma-Familien mit minderjährigen Kindern, unter teilweise traumatisierenden Polizeiaktionen in den Kosovo, nach Albanien, Mazedonien und Serbien abgeschoben.

Alle Initiativen, die die Situation der Abgeschobenen in den jeweiligen Ländern beobachten, berichten von katastrophalen Lebensumständen und massiver Diskriminierung der Rückkehrer. Viele von ihnen sehen deshalb als einzige Perspektive die erneute Einreise nach Mitteleuropa. So wird eine weitere Generation von Migrant*innen geschaffen, die weder im Herkunfts- noch im möglichen Ankunftsland eine legale Lebensperspektive entwickeln kann.“

Annette Groth appelliert:

„Diese Entwicklung kann nur durch einen wirklichen Wandel in der Menschenrechtspolitik gegenüber den Roma verhindert werden. Die rechtlichen Grundlagen dafür bestehen sowohl auf der Bundes- als auch auf Landesebene:

Die Bundesregierung kann angesichts der besonderen historischen Verantwortung Roma als Kontingentflüchtlinge in Deutschland anerkennen. Auch die Landesregierung Baden-Württemberg kann völlig im Einklang mit der Landesverfassung ein dauerhaftes, humanitäres Bleiberecht für Roma aus den Balkanstaaten erlassen.

Es ist einzig und allein der fehlende politische Wille, der bis heute eine wirkliche Lösung für Generationen verhindert. Im Namen der Menschenrechte ist ein Umdenken und Handeln endlich geboten.“

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Internationaler Tag der Roma – Ausgrenzung verschärft sich

Anlässlich des Internationalen Roma-Tages am 8. April klagen wir erneut die stetige Ausgrenzung der Roma in Deutschland und Europa an. Auch 46 Jahre nach dem 1. Internationalen Roma-Kongress am 8. April 1971 in London ist der Kampf um Anerkennung als verfolgte Minderheit und um gleiche Rechte leider immer noch dringend nötig.

Allein Baden-Württemberg führt monatlich drei Sammelabschiebungen in den Balkan durch. Ein Großteil der mehreren Tausend Betroffenen pro Jahr sind Roma-Familien, die vor der völligen Perspektivlosigkeit stehen. Die Diakonie Kosova hat z.B. ca. 1.000 „Rückkehrerfamilien“, die aus Deutschland abgeschoben wurden, in ihrer Kartei. Allen helfen kann sie nicht. So trifft auch die Privatisierung des Energiesektors hauptsächlich die Armen der Gesellschaft. Die Strompreise sind insbesondere für viele Roma nicht leistbar.
Im Januar wurde ein älterer Rom mit Gehirntumor aus Rottweil abgeschoben. Im Februar stoppte der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof in letzter Minute die Abschiebung einer suizidgefährdeten Frau aus Mazedonien. Zahlreiche weitere Abgeschobene in Richtung Balkan sind schwer krank. Eine adäquate Gesundheitsversorgung für Roma gibt es auf dem Balkan nicht. Die baden-württembergischen Abschiebebehörden nehmen damit immer wieder den baldigen Tod der Betroffenen billigend in Kauf.

Europaweit sind Angriffe gegen Roma und Räumungen von Camps nahezu alltäglich. Roma werden so immer wieder Opfer der zunehmenden rechten Hetze.
Und wie agiert Deutschland, das Land, das für den Tod von 500.000 Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus verantwortlich ist? Es schiebt nicht nur massenhaft Roma ab, bedient sich osteuropäischer Roma als illegalisierte billige Arbeitskräfte auf den Baustellen, drängt vermeintliche „Armutszuwanderer“ aus dem Land, nein, es sperrt Roma auch noch in Lager und Gefängnisse ein.

Durch die Asylrechtsverschärfungen kommen Flüchtlinge aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ bis zum Ende ihres Asylverfahrens nicht mehr aus den Erstaufnahmelagern heraus.
Am 13. Mai demonstriert das Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung zusammen mit zahlreichen anderen Gruppen gegen das Abschiebegefängnis Pforzheim, das seit einem Jahr in als solches genutzt wird. 34 Prozent der hier kriminalisierten Flüchtlinge stammten in diesem ersten Jahr aus den Balkanstaaten.
Anders als Abschiebungen nach Afghanistan gehören die Abschiebungen von Roma momentan leider schon zur „Normalität“. Wir werden diese „Normalität“ allerdings niemals akzeptieren!
Das Abschiebegefängnis Pforzheim, in dem im Nationalsozialismus sogenannte „Ostjuden“ eingesperrt waren, um dann abgeschoben zu werden, verdeutlicht einen fatalen Umgang mit der eigenen deutschen Geschichte.

Von Freiburg ausgehend, wo Roma per Reichstagsbeschluss 1498 für vogelfrei erklärt wurden, fordern wir eine Wende im Umgang mit unserer historischen Verantwortung.

Schluss mit den Massenabschiebungen von Roma in Richtung Balkan, Schluss mit der erzwungenen „freiwilligen“ Ausreise, Schluss mit der Ausgrenzung in Erstaufnahmelagern, Schluss mit der Inhaftierung im Abschiebegefängnis Pforzheim.
Wir fordern nicht nur warme Worte, sondern endlich ein humanitäres Bleiberecht für die europäische Minderheit der Roma!

Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung
07.04.2017 -- 

Freiburger Forum - aktiv gegen Ausgrenzung
Email | info@freiburger-forum.net
www | www.freiburger-forum.net
 
Quelle: https://www.freiburger-forum.net/2017/04/internationaler-tag-der-roma-ausgrenzung-verschaerft-sich/
 
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Aktuelles Beispiel:
08.04.2017 Frankfurter Rundschau: Unversorgt zurück im Kosovo

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