"Flüchtlingsgipfel" - Große Anti-Flüchtlingskoalition setzt zum asylrechtlichen Sinkflug an

Um die gestiegenen Kosten für die Unterbringung und Integration von Geflüchteten zu decken, haben die Länder und Kommunen der Bundesregierung bei einem "Flüchtlingsgipfel" am 12. Mai nach zähen Verhandlungen eine Sonderzahlung von 1 Mrd. Euro für das Jahr 2023 abgerungen. Dabei ging es allerdings um viel mehr als nur um das nötige Geld, damit die Unterbringung und Integration auch bei höher gewordenen Flüchtlingszahlen bewältigt werden können. Gefordert werden massive Verschärfungen und Entrechtungen von Geflüchteten wie Haftlager und Asylverfahren an den und außerhalb der EU-Grenzen, Kürzung von Sozialleistungen und schnellere Abschiebungen. Die Ampelkoalition, angetreten mit dem Versprechen, eine menschenrechtsbasierte Asyl-und Migrationspolitik zu betreiben, sieht dies , angeführt von Scholz und Faeser, offenbar trotz aller Meinungsdifferenzen genau so und schwenkt auf einen Kurs ein, der von den Inhalten des Koalitionsvertrags nichts mehr erkennen lässt.

Zu diesem unheilvollen Zirkus noch so etwas wie ein Kommentar:

Ist die Migration vielleicht doch die "Mutter aller Probleme" (Seehofer)? Und lassen sich die Kapazitäts-Probleme bei der Unterbringung von Geflüchteten auf der kommunalen Ebene lösen, wenn man die Symptome, also die Geflüchteten, bekämpft, aber nicht die Ursachen von Flucht? Die neue Asyldebatte rund um den Flüchtlingsgipfel zwischen Bund, Ländern und Kommunen geht in diese Richtung. Tenor: "Wir wollen das nicht schaffen". Denn es geht scheinbar nicht (mehr) um die Frage, wie auch höhere Flüchtlingszahlen bewältigt werden können. Das wird bereits abgestritten wie etwa vom Tübinger Landrat Joachim Walter.

Die Lobbyverbände der Kommunen wollen also nicht bloß das nötige Geld für die Finanzierung von Unterbringung und Integration, sondern sie wollen eine restriktive Politik mit dem Ergebnis einer umfassenden Reduzierung der Zahl von Geflüchteten aus "Drittstaaten". Es verwundert hierbei nicht besonders, dass die Ukraine nicht zu diesen "Drittstaaten" zu zählen scheint. Und die Ampelkoalition scheint bereit zu sein, die letzten menschenrechtsbasierten Grundsätze der Flüchtlingspolitik über Bord zu werfen und steigt auf eine Rhetorik und einen Kurs um, die bei Horst Seehofer noch allseitige Empörung ausgelöst haben. Und bis auf ein paar kritische Stimmen aus der zweiten Reihe spielen auch die Grünen mit. Habeck&Co. haben derzeit wichtigere Probleme als Menschenrechte von Geflüchteten. Die AfD lacht sich ins Fäustchen und Putin wahrscheinlich auch. Die Maßnahmen, die im Papier der "Gemeinsamen Flüchtlingspolitik von Bund und Ländern" beschrieben werden, werden zentral mit den "Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine" begründet. Mit anderen Worten: Wir helfen den Flüchtlingen aus der Ukraine. Die anderen müssen jetzt aber weg. Für die reichen in der Zukunft Haftlager im Mittelmeer, in denen angeblich der Asylantrag geprüft werden soll. Und so werden erneut "Lösungen" rauf- und runterdiskutiert, die keine sind, sondern bei denen nur sicher ist, dass asyl- und menschenrechtliche Standards über Bord geworfen werden.

In den Nachrichten-Sendungen und Polit-Talkshows der Leitmedien raunen die immergleichen Anti-Flüchtlings-Lautsprecher (außer Boris Palmer, der gerade eine kurze Pause macht), dass die Bevölkerung "das alles" nicht mehr lange mitmachen werde. Immer wenn die Zahl der Geflüchteten höher ist als es den Herrschenden passt, wird die Stimmung in der Bevölkerung instrumentalisiert. Dabei sind es maßgebliche und mächtige Politiker*innen und Medienleute, die die Stimmung zum Kippen bringen. Und denen jetzt in der Flüchtlingspolitik nichts anderes mehr einzufallen scheint als die altbekannten drei A's: abschotten, ablehnen, abschieben. Stellen wir uns nur mal kurz eine Klimaschutzpolitik auf diesem geistigen Niveau vor. Oder sind das Niveau von Flüchtlingsschutz- und Klimaschutzdebatte gar nicht so weit voneinander entfernt?

Die neue Asyldebatte ist kritischer als diejenige des Jahres 2015. Damals hieß es noch aus dem Mund von Angela Merkel: "Wir schaffen das". Es wurde zwar bereits kurz danach unter der Ägide von Seehofer eine ganz andere Politik betrieben und dieser Satz wurde ihr nachhaltig von vielen übel genommen. Heute heißt es aber nur noch: "Wir schaffen das nicht" (Boris Palmer und andere).

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