Aktionsplan Afghanistan - von Frau Baerbock was Neues?
Sechs Monate nach Verabschiedung des "Aktionsplans Afghanistan" unter der damals neu ins Amt gekommenen Außenministerin Annalena Baerbock zieht das Auswärtige Amt in einem Artikel eine Zwischenbilanz dieses Aktionsplans. Neben einer Beschleunigung der bereits im Sommer 2021 erlaubten, aber vielfach nicht erfolgten Ausreisen von "Ortskräften" und anderen in Gefahr befindlichen Menschen ("Menschenrechtsliste") versprach der Aktionsplan ein Bundesaufnahmeprogramm, Beschleunigungen beim Familiennachzug, besondere Hilfen für Frauen und Mädchen sowie verstärkte humanitäre Hilfe. Die allgemeine Situation in Afghanistan wird generell als "extrem prekär" eingeschätzt.
Die Zwischenbilanz des Auswärtigen Amts fällt positiv aus. Inzwischen seit die Ausreise von 75% der Ortskräfte erfolgt. Allerdings warten aufgrund diverser Schwierigkeiten immer noch über 10.000 Menschen mit Aufnahmezusage auf die Ausreise, darunter vor allem Personen von der "Menschenrechtsliste". Das versprochene Bundesaufnahmeprogramm lässt zudem auf sich warten, es befinde sich immer noch in der Abstimmung zwischen Außen- und Innenministerium. Nur für besondere Härtefälle gäbe es ein "vereinfachtes Verfahren". Bei den Familiennachzügen wurden einige Fortschritte erzielt, die immens langen Wartezeiten konnten jedoch bislang offenbar nur geringfügig verkürzt werden. Die positive Selbsteinschätzung der Arbeit des Auswärtigen Amts kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Thema auf der Prioritätenliste nach unten gerutscht ist und die politisch-mediale Aufmerksamkeit für Afghanistan nicht nur aufgrund des alles überlagernden Ukraine-Kriegs stark nachgelassen hat.
Auch bei move on / Plan.B gibt es noch aus dem August 2021 mehrere Fälle von Personen bzw. Familien, die aufgrund der Machtübernahme durch die Taliban in Lebensgefahr sind, aber nicht in die sog. Menschenrechtsliste aufgenommen wurden bzw. die Anträge nicht bearbeitet / entschieden wurden. Außerdem gibt es einige neue Fälle, bei denen wir eine besondere Gefahr und Dringlichkeit sehen (ehem. Leiter eines Strafgefängnisses / von Taliban-Rache bedrohter (Ehe-)Mann / Hazara-Aktivist / Sicherheitsoffizier von Ashraf Ghani / Kommunalpolitiker und Opfer eines gezielten Bombenanschlags...), aber nicht wissen, an wen genau wir Anträge richten können, welche Kriterien diese Anträge erfüllen müssen und ob überhaupt eine Aussicht auf Erfolg besteht.
Bei Familiennachzugsanträgen gibt es noch keinen einzigen Fall, bei dem ein Termin zur Vorsprache bei der Deutschen Botschaft erteilt wurde. Weiter feiern können wir die erfolgreich erreichte Aufnahme der Journalistin und Menschenrechtlerin Nooria Y., die im März mit Ehemann und sechs Kindern nach Deutschland einreisen durfte und jetzt in der hiesigen Region lebt.
23.06.2022 Auswärtiges Amt: Sechs Monate „Aktionsplan Afghanistan“
23.06.2022 Auswärtiges Amt: Auswertung zum Stand der Umsetzung des Aktionsplans
20.06.2022 Pro Asyl Pressemitteilung: Gefährdete Afghan*innen beschleunigt aufnehmen
28.06.2022 PRO ASYL: Keine Änderung in Sicht: Regierung ignoriert bis heute Tausende Ortskräfte
20.05.2022 PRO ASYL Pressemitteilung: Aufnahme aus Afghanistan: Finanzbeschlüsse des Haushaltsausschusses sind unzureichend
14.02.2022 Pro Asyl: Sechs Monate nach dem Fall von Kabul: »Vergesst Afghanistan nicht! Handelt jetzt!«
INFO
Mit unserer Spendenaktion „save our families – Spendenaufruf für afghanische Familien“ haben wir zwischen Dezember 2021 und Juni 2022 fast 70 Familien in Afghanistan mit insgesamt 35.000 Euro unterstützt. Jetzt ist unsere Spendenkasse leer. Die Not, in der sich die Verwandten von im Kreis Tübingen lebenden afghanischen Geflüchteten befinden, geht aber weiter. Wir sind nur ein kleiner Verein und wissen, dass wir nur begrenzt helfen können, aber wir wollen auf dieser Ebene das Mögliche versuchen und suchen nach neuen Geldgebern und Möglichkeiten, die Hilfe fortsetzen zu können.
Besondere Sorgen machen uns die Menschen, die nicht nur von Armut und Hunger betroffen sind, sondern die vom Taliban-Regime als Oppositionelle oder Verräter angesehen werden und deswegen in permanenter Lebensgefahr sind. Wir setzen hierbei gewisse Hoffnungen auf das seit Monaten in Planung befindliche Bundesaufnahmeprogramm der Bundesregierung. Wir befürchten jedoch, dass aufgrund des geringen Kontigents nur sehr weniger Menschen über dieses Programm gerettet werden können.